Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1806) MOLAREN-INZISIVEN-HYPOMINERALISATION Klinik, Diagnostik und Therapie der MIH Katrin Bekes Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – auch Kreidezähne genannt – beschäftigt nun seit vielen Jahren die Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Zu Beginn nahezu als Zufallsbefund abgetan, hat dieses Krankheitsbild mittlerweile hohe klinische Relevanz erreicht und scheint in bestimmten Altersgruppen sogar das Auftreten von Karies überholt zu haben. Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in das klinische Erscheinungsbild, die Diagnostik und die rezenten Therapiemethoden. D er Begriff der „Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation“ hat vor knapp 20 Jahren Eingang in die Literatur gefunden [Weerheijm et al., 2001]. Beschrieben wird eine syste- misch bedingte Hypomineralisation von ein bis vier bleibenden ersten Molaren mit oder ohne Beteiligung der Inzisiven (Abbildungen 1 und 2). Die Ausprägung der Mindermineralisa- tion kann stark variieren (Abbildungen 3 und 4). Klinisch zeigen sich an den betroffenen Zähnen unterschiedlich starke Verfärbungen beziehungsweise Opazitäten bis hin zu ausgeprägten Schmelzverlusten. So kann die Minera- lisationsstörung im Bereich der Mola- ren auf einzelne Bereiche beschränkt sein, das Fissurenrelief einbeziehen oder sich über die gesamte Glattfläche erstrecken [Koch et al., 1987]. Bei den Inzisiven ist die Mindermineralisation bukkal zu finden. Geringgradig betrof- fene Zähne sind dabei eher durch weiß-gelbliche oder gelb-braune, un- regelmäßige Verfärbungen gekenn- zeichnet, schwere Hypomineralisations- formen weisen dagegen abgesplitterte oder fehlende Schmelz- und/oder Dentinareale unterschiedlichen Aus- maßes auf. Sind bei einem Patienten mehrere Molaren betroffen, so kann es auch hier zu Variationen kommen. Dement- sprechend kann es sein, dass bei einem Molaren kleine, intakte Opazitäten zu finden sind, während an einem ande- ren Molaren große Teile des Schmelzes bereits kurz nach dessen Eruption ein- brechen [Weerheijm, 2004]. Neben dem Defekt selbst ist das Auf- treten von Überempfindlichkeiten ein weiteres wichtiges klinisches Merkmal der MIH. Vor allem von einer Hypo- mineralisation betroffene Molaren können oft stark temperatur- und be- rührungsempfindlich sein. Als Ursache wird die Porosität des Schmelzes ange- führt, die frühzeitig zu einer Bakterien- invasion und einer chronischen Pulpa- entzündung führt [Rodd et al., 2007; Fagrell et al., 2008; Lygidakis et al., 2010]. Diese Hypersensibilität schränkt die Kinder im Genuss kalter und heißer Nahrungsmittel sowie bei der Mund- hygiene ein. Zudem beeinträchtigt sie die Behandlung dieser Zähne, unter anderem deshalb, weil die chronische Pulpaentzündung eine erfolgreiche Lokalanästhesie erschweren kann [Lygidakis, 2010]. DIAGNOSTIK Bereits in der Definition der MIH werden zwei wichtige diagnostische Faktoren angeführt: Mindestens ein Molar ist an dem Phänomen der MIH immer beteiligt, eine Kombination von betroffenen Molaren mit abge- grenzten Opazitäten an den Schneide- zähnen ist möglich, aber nicht erfor- derlich [Weerheijm et al., 2003]. Opazitäten, die nur an den Schneide- zähnen auftreten, deuten auf eine andere Ursache hin und sollten deshalb nicht der MIH zugeordnet werden. Weiterhin orientiert sich die Diagnos- tik der MIH an den von der European Academy of Paediatric Dentistry (EAPD) publizierten klinischen Kriterien Foto: Katrin Bekes Abb. 1: MIH mit posteruptiven Schmelzeinbruch am Zahn 26 Foto: Katrin Bekes Abb. 2: MIH an den Frontzähnen 11 und 21 (gleicher Patient wie in Abbildung 1) 24 | ZAHNMEDIZIN

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