Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1818) Die Dresdner Richter begründen ihr Urteil wie folgt: „Der Klägerin steht als Patientin neben der spezialgesetzlichen Regelung des § 630g BGB auch ein Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO gegenüber der Beklagten zu. Im Rahmen der Behandlung sind personenbezogene Daten der Klägerin gespeichert worden.“ Der Anwendungsbereich der DSGVO sei bei der Speicherung im Rahmen der Gesundheits- behandlung erhobenen Daten erfüllt. „Entgegen der Rechts- ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, für welchen Zweck (hier zivilrechtliche Haftungsansprüche) der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird.“ Die Regelung des § 630g BGB* habe nicht Vorrang vor den Bestimmungen des Art. 15 Abs.3 DSGVO**. DIE BEGRÜNDUNG DER RICHTER „Das Einsichtsrecht in die Behandlungsakten ist wichtiger, aber kein uneingeschränkter Ausdruck des informellen Selbstbestimmungsrechts der Patienten“, kommentiert die BZÄK das Urteil. Dieses sei mit seiner Begründung auf den ersten Blick zu erwarten gewesen, die Auffassung des Gerichts überzeuge aber nicht – insoweit bleibe auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu hoffen. „Der Gesetz- geber selbst hat es bewusst im letzten Jahr im entsprechen- den Verfahren zum Datenschutz-Anpassungsgesetz unter- lassen, § 630g BGB an die Regelung der DSGVO anzupassen und damit eine Wertung getroffen. § 630g hat eine andere Zielrichtung als die Regelung der DSGVO. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass das Einsichtsrecht nach BGB nur unter engen Grenzen verwehrt werden kann, während für das Auskunftsrecht ein breiterer Spielraum gegeben ist. Das Urteil ist aus unserer Sicht bereits deshalb gerade nicht interessengerecht.“ Die BZÄK befürchtet, dass mit diesem Urteil der bürokra- tische Aufwand steigt und die finanziellen Lasten bei den Zahnärzten bleiben. „Berufsrechtlich ist die Herausgabe von Kopien der Patientenakte in den Berufsordnungen der Länder geregelt und hier gilt ebenso, was im BGB steht“, so die BZÄK. Auch der Hessische Landesdatenschutzbeauftragte geht da- von aus, „dass der Bundesgesetzgeber in der Akteneinsicht nach § 630g BGB eine von dem Auskunftsanspruch und dem Recht auf Kopie des Art. 15 DSGVO unabhängige Regelung mit anderem Inhalt und anderem Zweck sieht. § 630g BGB ist damit keine Einschränkung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Die Norm dient anderen Patienteninteressen als Art. 15 DSGVO.“ ZWEI REGELUNGEN, ZWEI ZIELSETZUNGEN Eine gut geführte Patientenakte vereinfache den Arzt- wechsel, weil sie dem übernehmenden Mediziner die An- knüpfung an das zuvor Geleistete erleichtert und dadurch die nochmalige Durchführung diagnostischer oder thera- peutischer Maßnahmen vermeiden hilft. Die Beweissiche- rungsfunktion der Dokumentation beziehungsweise ihre Funktion als Beweismittel in einem Arzthaftungsprozess ist vom Gesetzgeber, so der hessische Datenschutzbeauftragte, anerkannt worden. In vielen Prozessen ließen sich die Krankengeschichte und der Behandlungsverlauf nur mit- hilfe der Patientenakte nachvollziehen. Erst aufgrund dieser Nachvollziehbarkeit könne von einem sachverständig beratenen Gericht beurteilt werden, ob dem Arzt eine Sorg- faltspflichtverletzung unterlaufen sei oder nicht. Die BZÄK teilt die Ansicht des Hessischen Datenschutz- beauftragten, der festhält, dass er in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO keinen Akteneinsichtsanspruch sieht: „Statt einer Auskunft über personenbezogene Daten kann der betroffenen Person Akteneinsicht gewährt werden.“ Die BZÄK bekräftigt: „Eine solche Formulierung wäre wider- sinnig, wäre die Akteneinsicht bereits in Art. 15 DSGVO vorgesehen.“ silv * Art. 15 Abs. 3 DSGVO: „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.“ ** § 630g BGB Einsichtnahme in die Patientenakte (1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegen- stehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. § 811 ist entsprechend anzuwenden. (2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. (3) Im Fall des Todes des Patienten stehen die Rechte aus den Absätzen 1 und 2 zur Wahrnehmung der vermögens- rechtlichen Interessen seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht. 36 | POLITIK

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