Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1828) KONSENSUS-EMPFEHLUNGEN ZUM MANAGEMENT VON KARIES IM MILCHGEBISS Non-invasive Interventionen Minimal- invasive Interventionen Invasive Interventionen Tab. 2: Konsensus-Empfehlungen der European Organisation for Caries Research (ORCA) und der European Federation of Conservative Dentistry (EFCD/DGZ) zum Management von Karies im Milchgebiss. Es wird die Evidenzstärke (schwach, moderat, hoch) und die Zustimmung der Konsensusgruppe zu den Statements (von 0 [stimme gar nicht zu] bis 10 [stimme voll zu]) angegeben. Ein Votum von 7–10 wurde als Zustimmung gewertet; die prozentuale Zustimmung rundet nicht immer auf 100 Prozent. Zusätzlich wird der Median aller Voten (0–10) angegeben. Quelle: ORCA, EFCD/DGZ. Empfehlung Nicht-restaurative Karieskontrolle (NRCC) wie Inaktivierung, Arretierung oder Remineralisation erzielt vergleichbare Ergebnisse wie die konventionelle direkte Füllungstherapie. NRCC sollte wohl von Patienten und deren Eltern nur bei aus- reichender Mitarbeit genutzt werden. Dentinkariöse Läsionen können sehr erfolgreich mit Silber-Diamin-Fluorid im Milchgebiss behandelt werden, wenn keine irreversible Pulpabeteiligung vorliegt. Konservativere Ansätze wie Restaurationen ohne Kariesentfernung (Hall-Technik) oder selektive Kariesentfernung mit nachfolgender Restauration erscheinen vorteilhaft im Vergleich mit non-selektiver Kariesentfernung bei Milchzähnen ohne irreversible Pulpabeteiligung, insbesondere bei tiefen kariösen Läsionen. Atraumatische Restaurationstechniken (ART) erhöhen wahrscheinlich das Risiko für ein Restaurationsversagen im Vergleich zu konventioneller Kariesentfernung mit nachfolgender Restauration, wenn GIZ verwendet wird, insbesondere bei mehr- flächigen Kavitäten. Bei okklusalen Läsionen an Milchzähnen können akzeptable Ergebnisse erzielt werden. Bei Approximalkaries an Milchmolaren ohne irreversible Pulpaentzündung ist die Hall-Technik ohne Kariesentfernung signifikant erfolgreicher als konventionelle Kariesentfernung mit nachfolgender Füllung oder non-invasive Kariestherapie. Bei Milchmolaren ist die konventionelle Präparation von konfektionierten Stahl- kronen, oft in Kombination mit einer Pulpotomie signifikant erfolgreicher als mehrflächige Füllungen und äquivalent zur indikationsgerechten Hall-Technik, insbesondere ohne irreversible Pulpaentzündung. Evidenz- stärke schwach moderat moderat schwach moderat moderat Zustimmung Zustimmung: 50 % neutral: 37 % Ablehnung: 12 %* Median: 7 Zustimmung: 80 % neutral: 16 % Ablehnung: 4 % Median: 9 Zustimmung: 71 % neutral: 25 % Ablehnung: 4 % Median: 9 Zustimmung: 83 % neutral: 12 % Ablehnung: 4 %* Median: 9 Zustimmung: 71 % neutral: 21 % Ablehnung: 9 %* Median: 8 Zustimmung: 75 % neutral: 16 % Ablehnung: 8 %* Median: 8 Tabelle 2, Abbildung 2) sind geeignet, das Voranschreiten der Karies zu ver- langsamen, möglicherweise aber nicht zuverlässig in der Lage, die Karies voll- kommen zu stoppen. Für die restaura- tive Therapie von Dentinkaries wurde unter anderem die deutliche Über- legenheit von Stahlkronen (nach kon- ventioneller Präparation oder unter Nutzung der Hall-Technik) gegenüber einer traditionellen direkten Füllungs- therapie mit plastischen Materialien aufgezeigt. Die Empfehlung der Exper- ten zum Einsatz dieser Behandlungen in Kindern war nahezu einheitlich; die Empfehlungen decken sich mit anderen internationalen Leitlinien. Die Okklusalflächen der permanenten Molaren und Prämolaren stellen eine Prädilektionsstelle für Karies in der bleibenden Dentition dar. Eine wesent- liche Ursache hierfür ist die relativ lange Durchbruchszeit, während der sowohl die Selbstreinigung durch Kaukräfte als auch durch Mundhygienemaßnahmen oft eingeschränkt ist, da die Kauflächen lange unterhalb der Okklusionsebene liegen (Abbildung 3). Daher sollte ge- rade während des Zahndurchbruchs besonders auf die Einhaltung non- invasiver Maßnahmen geachtet wer- den. Hierzu zählen eine adaptierte Zähneputztechnik zur Reinigung der Okklusalfläche (Tabelle 3, Abbildung 3). Neben der regelmäßigen Nutzung fluoridierter Zahnpasta (≥ 1.500 ppm), die für alle Patienten empfohlen wird, sollten gerade für einzelne Zähne, Personen oder Bevölkerungsgruppen mit höherem Kariesrisiko Fluoridlack- applikationen oder die Nutzung von Fluoridgelen in Erwägung gezogen werden. EXTENSION FOR PREVENTION IST NICHT MEHR ZEITGEMÄß Auch die präventive Fissurenversiege- lung ist eine sehr wirksame, mikro- invasive Präventionsmaßnahme und zeigt gerade für permanente Molaren ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis [Ahovuo-Saloranta et al., 2016 & 2017; Schwendicke et al., 2015 & 2018]. Neben der Indikation als primär-präventive Maßnahmen können die genannten non- oder minimalinvasiven Maßnah- men auch zur Therapie nicht-kavitierter okklusaler Karies eingesetzt werden. 46 | ZAHNMEDIZIN
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=