Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1836) DISKUSSION Bei der Kiefergelenksankylose handelt es sich um eine Pathologie, bei der der Processus articularis knöchern oder fibrotisch mit der Fossa articularis ver- wachsen ist. Unterschieden wird ent- sprechend der Ätiologie zwischen einer intraartikulären und einer extraartiku- lären Form. Während erstere haupt- sächlich die Folge von Traumata und Infektionen ist, handelt es sich bei der extraartikulären Ankylose um eine beobachtete Folgeerscheinung eines periartikulären Tumorwachstums [Kermer et al., 1996], eines verlängerten Processus coronoideus [McLoughlin et al., 1995] oder von Prozessen wie der Myositis ossificans, gesteigerter Narbenbildung, Bestrahlung oder Tris- mus [Rasse, 2010]. Epidemiologisch gilt die traumatisch bedingte Ankylose als die häufigste Form, die pathogene- tisch infolge einer fibrösen Hämatom- organisation mit anschließender Ossi- fikation entsteht. Hierbei kann sich die Ossifikation weit über den eigent- lichen Gelenkanteil hinaus erstrecken und periartikuläre Strukturen erfassen [Arakeri et al., 2012]. In Europa ist die Inzidenz der Kiefer- gelenksankylose rückläufig, wobei betroffene Patienten auf Nachfrage – wie im vorgestellten Fall – häufig von Sturzereignissen mit fazialer Beteiligung in der Kindheit berichten. Bei diesem typischen Unfallhergang werden Frak- turen der Condylen oder Gelenk- fortsätze immer wieder durch primär offensichtliche Weichgewebsverletzun- gen der Kinnregion überschattet und dadurch übersehen [Roychoudhury, 2014]. Demzufolge kommt der frühen Diagnose im Kindesalter und der Ein- leitung einer entsprechenden Therapie (chirurgisch oder konservativ/kiefer- orthopädisch) eine besondere Bedeu- tung zu, da insbesondere Kinder unter zehn Jahren eine Prädisposition zur Entwicklung einer post-traumatischen Ankylose aufweisen und sich die Be- handlung, bedingt durch das Wachs- tum und gehäufte Reankyloseraten, als schwierig erweist [Sporniak-Tutak et al., 2011; AWMF, 2016]. Ursache für die späte Diagnose ist eine nur lang- sam zunehmende Einschränkung der Mundöffnung bei gleichzeitig fehlen- der Schmerzsymptomatik, so dass sich Ankylosen oft erst in fortgeschrittenen Stadien manifestieren [Shetty et al., 2014]. Als klinisch führende Symptomatik gilt die progressive Hypomobilität des Unterkiefers mit Funktionseinbußen wie der eingeschränkten Mundöffnung und nachfolgend einer reduzierten Nahrungsaufnahme und Malnutrition, erschwerter Kommunikation, Schluck- beschwerden, Okklusionsstörungen, Schmerzen, Gesichtsasymmetrien (zum Beispiel Retrognathie/Mikro- gnathie bei Kindern), respiratorischen UNIV.-PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. BILAL AL-NAWAS Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg Universität Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz DR. MONIKA BJELOPAVLOVIC, M.SC . Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg Universität Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz Abb. 2: 3-D-Rekonstruktion des präoperativen CTs mit frontaler (a) sowie links- und rechts-lateraler (b1 und b2) Darstellung der deformierenden Kiefergelenksarthrose beidseits frontal Quelle: Daniel Thiem a b1 b2 54 | ZAHNMEDIZIN

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