Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1846) E s geht um Menschen, die in Notlagen sind und die aufgrund verschiedener Lebensumstände nicht ins Ras- ter der Gesellschaft passen – Obdachlose, Geflüchtete ohne Aufenthaltsstatus oder Menschen ohne Kranken- versicherung“, sagte Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Berliner Zahnärztekammer und Vorstandsreferent der BZÄK für soziale Aufgaben und Hilfsorganisationen, der die Konferenz eröffnete. MENSCHEN HELFEN, DIE KEINE STIMME HABEN „Viele trauen sich auf normalem Weg nicht in die Praxis“, führte Heegewaldt aus. „Es braucht daher eine breitere Basis, gerade den Menschen zur Seite zu stehen, die keine Stimme und kein Sprachrohr haben. Sie fallen durchs System und werden übersehen.“ Ziel der Konferenz war daher auch, eine Plattform zu schaffen zum Austausch und Netzwerken trotz Corona-Zeiten. „Die Praxen für Menschen ohne Krankenversicherung waren sechs Wochen lang geschlossen, da es keine Schutzausrüstung gab“, berichtete Heegewaldt. „Das war ein riesiges Problem, insbesondere weil auch noch die niederschwelligen Angebote weggefallen sind.“ Dennoch hätten Zahnmediziner versucht, ehrenamtlich Hilfe zu leisten – und seien in dieser Ausnahme- situation noch einmal über sich hinausgewachsen. Dass soziales Engagement interdisziplinär funktioniert, aus der Mitte kommt und langfristig angelegt sein sollte, wurde Heegewaldt zufolge sehr deutlich. Seine Bitte: „Nutzen Sie die sozialen Netzwerke der BZÄK!“ Er verwies in dem Zusammen- hang auf die bundesweit zahlreichen – insbesondere zahn- ärztlichen – Hilfsinitiativen in Deutschland, die Menschen in sehr schwierigen Lagen helfen. DIE PANDEMIEBEDINGUNGEN SIND WIE EIN BRENNGLAS „Die Pandemiebedingungen sind wie ein Brennglas“, schilderte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich die Situation. „Wir schauen zwar mit Stolz auf die Mundgesund- heit der Gesamtbevölkerung, die deutlich besser geworden ist. Aber hier geht es ja um eine Bevölkerungsgruppe, die in den Untersuchungen überhaupt nicht erfasst wird.“ Mit der Veranstaltung wolle die BZÄK auch unterstreichen, dass die Versorgung weitergehen muss. „Wir sind sehr froh, dass viele Kolleginnen und Kollegen nach wie vor aktiv sind – auch unter diesen schwierigen Bedingungen“, betonte Oesterreich. Das zeige: „Der Berufstand ist weiterhin für diese Menschen da.“ Darüber hinaus müsse das Signal jedoch in die Gesellschaft gelangen. Zusätzlich seien gesetzliche Maß- nahmen erforderlich, um dieser Bevölkerungsgruppe gesund- heitliche Chancengleichheit zumindest auf einem Niveau zu ermöglichen, das für sie erreichbar ist. Oesterreich: „Es kann nicht sein, dass auf Dauer immer nur die akutesten Notfälle behandelt werden.“ Wichtig sei, die Angebote möglichst niedrigschwellig zu gestalten: „Hemmungen und Scham dürfen die Patienten nicht von der Behandlung abhalten“, stellte Oesterreich klar. „Umgekehrt darf es nicht noch einmal wie zu Beginn der Coronavirus-Pandemie aufgrund mangelnder Hilfsmittel zu Foto: zm_LL „Wir sind sehr froh, dass viele Kolleginnen und Kollegen nach wie vor aktiv sind – auch unter diesen schwierigen Bedingungen“, betonte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich. Das zeige: „Der Berufstand ist weiterhin da.“ BZÄK-KONFERENZ DER IM INLAND TÄTIGEN HILFSORGANISATIONEN Corona hat die Situation noch verschärft Am 18. September lud die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zur alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz der im Inland tätigen Hilfsorganisationen, bei der dieses Mal die externen Referenten online zugeschaltet wurden. Dass die Veranstaltung stattfand, wertet die BZÄK als wichtiges Signal: Gerade jetzt komme es auf die Hilfe der Zahn- ärzteschaft an, denn die Coronavirus-Pandemie habe die Situation der hilfsbedürftigen Menschen am Rand der Gesellschaft hierzulande dramatisch verschärft. 64 | GESELLSCHAFT
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