Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1790) HOCHSCHULEN STUDENTEN RAUS AUS DEM ELFENBEINTURM Zum Beitrag „Medizinischer Fakultätentag zum Zahnmedizinstudium: Eine zweite Welle gefährdet den Abschluss“, zm 17/2020, S. 24. Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com Leserforum Mit großem Erstaunen habe ich den Artikel gelesen. Es ist klar, dass auch uns niedergelassenen Zahnärzten in den Monaten März und April in unseren Praxen angesichts der Corona- Pandemie nicht ganz wohl in unserer Haut war, da über die tatsächlichen Risiken wenig bekannt war. Soweit mir aber im Kollegenkreis bekannt ist, sind die meisten Praxen ab Anfang Mai wieder zum Normalbetrieb übergegangen und zwar mit dem gesamten Behandlungsspektrum. Wir konnten uns ja auch nicht wegstehlen, da uns sonst die Insolvenz gedroht hätte. Was aber machen unsere Hochschulen? Ähnlich wie andere Stellen des öffentlichen Dienstes – Zulassungsstellen, Betriebs- höfe, Bürgerämter usw. – haben sich die Hochschulen alle schnell in ihr Schneckenhaus verzogen und Corona gespielt. Mit großem Entsetzen konnte ich dem Artikel entnehmen, dass die klinische Ausbildung, einschließlich Teile des Staatsexamens, jetzt am Phantomkopf durchgeführt wird. Das Ganze umschreibt man dann mit alternativen Formaten und Simulatoren, vulgo: „Phantomkopp“. Bekommen wir jetzt in Zukunft als Nachwuchs- Zahnärzte den „Dr. Phantomas“? Die praktische Ausbildung von Zahnärzten ist schon in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Was glauben denn die Hochschullehrer, wo man für die Studenten die Patienten herbekommt, wenn man sich über Monate gedrückt hat? Das Frankfurter Carolinum hat schon vor geraumer Zeit den Not- dienst eingestellt. Hier hatten wir seinerzeit immer gute Übungs- möglichkeiten und so mancher hat hier seine Patienten für den Kurs generiert. Den Notdienst macht jetzt ein MVZ in der Frankfurter Innenstadt – und gräbt sozusagen die Patienten ab. Ich selbst hatte vor drei Jahren einen frisch gebackenen Zahnarzt aus Mainz als Ausbildungsassistent. Dieser junge Mann hatte in seinem Studium keinen Zahn extrahiert bzw. einen Beinchen- Hebel in der Hand gehalten. Er konnte keine Kanaleingänge darstellen, außer für Zahnhalsfüllungen konnte ich ihn an keinen Patienten lassen. Da hatten wir noch kein Corona. Ich frage mich: Informieren sich die Hochschullehrer in ihren Elfenbeintürmen nicht, was in der Welt vorgeht? Und schämen sich die Hoch- schulen nicht vor den ganzen Kassiererinnen in den Lebensmittel- und Baumärkten, die tapfer – und damals noch ohne jeglichen Schutz – die Versorgung unserer Gesellschaft aufrechterhalten haben? Es graust mich, wenn in Zukunft Zahnärzte auf Patienten losgelassen werden, die eine Endo und eine Extraktion nur am Phantomkopf bzw. am Frasacozahn durchgeführt haben. Fazit: Phantomkopf-Ausbildung wie früher nur ein Semester und dann ran an den Patienten! Ansonsten kann man sich die Aus- bildung sparen oder man verlagert die Ausbildung gleich in die niedergelassene Praxis. Das spart wenigstens Zeit, die ansonsten an der Hochschule verplempert wird. Dr. Hans-Jürgen Vogel, Neu-Isenburg Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an: leserbriefe@zm-online.de oder Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Behrenstraße 42, 10117 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht.

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