Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 110, Nr. 19, 1.10.2020, (1868) MKG-CHIRURGIE B-Zell-Lymphom der Wange Andreas Pabst, Oliver Thiele, John Rudat, Gunnar Müller, Richard Werkmeister Unklare Raumforderungen im Kopf- Hals-Bereich können eine Vielzahl unterschiedlicher benigner und maligner Entitäten widerspiegeln und stellen den Behandler häufig vor diagnostische und differenzial- diagnostische Herausforderungen. Besonders isolierte Raumforderungen der Kopf-Hals-Weichteile werden bei ausbleibender functio laesa teilweise spät erkannt und erst verzögert einer weiterführenden Diagnostik und Therapie zugeführt. Der folgende Fall zeigt einen ungewöhnlichen isolierten Befund eines Non-Hodgkin- Lymphoms in der Wange. Z u den benignen Raumforderun- gen der Weichteile im Kopf-Hals- Bereich zählen unter anderem Zysten (etwa Speichelretentionszysten, laterale Halszysten), Fibrome, Lipome und Atherome [Iqbal et al., 1986; Coelho et al., 2018; Akdag, 2019]. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose stellen Lymphadenopathien dar, denen eine Vielzahl an möglichen Ursachen zugrunde liegen kann. Neben entzündlichen Prozessen aus dem zuführenden Lymphabflussgebiet (sogenannte sekundäre Lymphadeno- pathien), zum Beispiel bei infizierten Wunden, können diese auch viraler (etwa Epstein-Barr-Virus, Pfeiffer’sches Drüsenfieber) oder bakterieller (etwa Borrelia burgdorferi, Borreliose) Genese sein. Bei den malignen Raumforderun- gen der Kopf-Hals-Weichteile kommen unter anderem Erkrankungen des lymphatischen Systems in Betracht, wie beispielsweise Leukämien oder (Non-)Hodgkin-Lymphome. Daneben muss bezüglich möglicher maligner Raumforderungen auch immer an Lymphknotenmetastasen unterschied- licher Tumorentitäten oder Lokal- und Fernmetastasen in den Weichteilen gedacht werden [Mlekusch, 2015; Storck et al., 2019; Hirai et al., 2020]. Eine besondere Herausforderung stellen dabei Metastasen eines unbe- kannten Primärtumors dar [Sprave et al., 2020]. Zusätzlich kommen auch ortständige Weichgewebetumoren in Betracht, wie Weichteilsarkome (etwa Angio- oder Fibrosarkome) [Singh et al., 2019]. Ein wichtiges diagnostisches Hilfs- mittel bietet die Anamnese, mit der sich häufig bereits eine erste Verdachts- diagnose äußern lässt. In der finalen Diagnostik greifen die Anamnese, die klinische Untersuchung inklusive Serologie, die bildgebende Diagnostik (Panoramaschichtaufnahme, CT, MRT, Ultraschall) und die Probengewinnung mit anschließender histopathologischer Aufarbeitung eng verzahnt ineinander. KASUISTIK Eine 67-jährige Patientin stellte sich mit einer seit mehreren Wochen zunehmenden Raumforderung der rechten Wange in unserer Klinik vor. Die Raumforderung zeigte sich in der klinischen Untersuchung in etwa Golfball-groß, scharf begrenzt, gegen- über den umliegenden Weichgeweben gut verschieblich und nicht schmerz- haft (Abbildung 1). Bei der intraoralen Untersuchung zeigte sich ein konservierend und prothetisch unvollständig versorgtes Restzahngebiss, das als möglicher dentogener Fokus der Raumforderung schnell ausgeschlossen werden konnte. Die Raumforderung zeigte intraoral eine enge Lagebeziehung zum Stenon- Gang und zur Papilla ductus parotidei, die keine Funktionseinschränkungen aufwiesen (Abbildung 2). Die Anamnese ergab keine Hinweise auf eine mög- liche Entität der Raumforderung. Die Patientin hatte keine orofazialen Funk- tionseinschränkungen. Eine B-Symp- tomatik (Fieber > 38°, Nachtschweiß, Gewichtsverlust > 10 Prozent inner- halb von sechs Monaten) wurde ver- neint. OBERSTABSARZT DR. MED. DR. MED. DENT. ANDREAS PABST Klinik VII; Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacherstr. 170, 56072 Koblenz Andreas1Pabst@bundeswehr.org Foto: BWZK Abb. 1: Unklare Raumforderung der rechten Wange (weiße Pfeile) Foto: Andreas Pabst 86 | ZAHNMEDIZIN

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