Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

sich bei der MIH um eine Minder- mineralisation des Schmelzes, oft exis- tieren jedoch auch Bildungsstörungen (Hypoplasien) oder gar Bildungsausfälle (Aplasien) der prismatischen Schmelz- struktur. Die MIH ist demnach Teil der nicht genetischen, entwicklungs- bedingten Strukturanomalien. Den entwicklungsbedingten Zahnhart- substanzstörungen wurde über einen sehr langen Zeitraum nur wenig Auf- merksamkeit geschenkt; erst seit etwa einer Dekade wird verstärkt darüber berichtet – zuletzt sogar in der allge- meinen Presse. Dies wurde nicht zu- letzt dadurch möglich, dass mit der Fünften Deutschen Mundgesundheits- studie (DMS V) erstmalig bevölke- rungsweite Daten hierzu für Deutsch- land vorgelegt wurden. Demnach weisen 28,7 Prozent der zwölfjährigen Kinder in Deutschland mindestens einen Zahn mit einer Hypoplasie/MIH auf. Die Prävalenz erscheint enorm – es verwundert daher nicht, dass sich die Medien förmlich darauf stürzten. Was dabei kaum berichtet wurde, ist, dass die allgemeine Erkrankungsschwere (severity) überwiegend gering ausge- prägt ist, lediglich 5,4 Prozent der Kin- der weisen mehr als eine begrenzte Opazität auf. Opazitäten haben klinisch jedoch jenseits kosmetischer Aspekte oft keine Bedeutung, wenn sie nicht mit weiteren Symptomen assoziiert sind. Insofern ist es doch unter anderem das Verdienst Weerheijms, dass die ver- stärkte Aufmerksamkeit auf dieses Thema auch die Forschung inspiriert und die zahnärztliche Aus- und Fort- bildung zu Diagnostik und Therapie von Hypomineralisationen und Hypo- plasien nach vorne gebracht hat. ÄTIOLOGIE UND PATHOGENESE Für Pierre Fauchard [1728] beruhten die „Flecken, die weisser sind als die Substantz von dem Schmeltzwerke der Zähne selbst, und bis in die Holig- keit des Cörpers vom Zahne hinein dringen“ auf äußerlichen Ursachen. Ebenso beschrieb er in „Observationen von ungestalten [...] Zähnen“ eine hypoplastische Amelogenesis imper- fecta als Erkrankung aller Zähne durch fehlende Mundhygiene mit „Schlamm und Theilgen von Speisen“ bei einem etwa 14-Jährigen. G. V. Black [1908] beginnt die „Patho- logie der harten Zahngewebe“ im ers- ten Band der Konservierenden Zahn- MIH, HYPOPLASIE, APLASIE Symmetrische, metabolisch ausgelöste Hypomineralisationen, Hypoplasien und Aplasien, überwiegend an Front- zähnen und Sechs-Jahr-Molaren, sind die einzigen nicht-hereditären Struktur- anomalien der Zähne, die fast auf den Monat ihrer Entstehung genau diagnostiziert werden können [Kronfeld und Schour, 1939; Sarnat und Schour, 1941, 1942; Gängler, 1986, 1991, 2010]. Der später geprägte Terminus Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) [Weerheijm et al., 2001; Weerheijm und Mejare, 2003] ist zwar mittlerweile weit verbreitet, greift jedoch teilweise zu kurz, handelt es sich doch bei der MIH zwar um eine Mindermineralisation des Schmelzes, aber auch um eine Bildungsstörung (Hypoplasie) oder gar einen Bildungs- ausfall (Aplasie) der prismatischen Schmelzstruktur. Das klinische Bild und die mikromorphologischen Charakteristika hypomineralisierten/ hypoplastischen Schmelzes sind hochkomplex und gehen von leichten Störungen der Amelogenese bis hin zu ausgedehnten Funktionseinbußen der jeweils aktiven Ameloblasten; teilweise kommt es auch zu Ver- änderungen der Dentinogenese oder dem Bildungsausfall ganzer Schmelz- regionen. Kein anderes Krankheitsbild der bleibenden Zähne mit bekannter Ätiologie und Pathogenese ist deshalb so vielgestaltig wie der Komplex der Hypomineralisation, Hypoplasie und Aplasie. PROF. DR. A. RAINER JORDAN Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) Universitätsstr. 73, 50931 Köln Foto: Philippe Ramakers zm 110, Nr. 20, 16.10.2020, (1919) www.shofu.de Zwei Viskositäten mit X tra Glanz ! Geeignet für Restaurationen Klasse I bis V Sehr gute Polierbarkeit Leicht injizierbare Applikation ZAHNMEDIZIN | 25

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