Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 110, Nr. 20, 16.10.2020, (1926) Fürsorgeperson), ob und an welchen Zähnen nach späterem Zahndurch- bruch die gleichen Veränderungen auf- treten, kann man in der Regel kom- petent nach einem Blick auf die Schour-Massler-Zeittafel beantworten, wenn sich anamnestisch kein weiterer Hinweis auf eine weitere Störung zu einem anderen Zeitpunkt der Schmelz- bildung ergibt. KLASSIFIKATION Es gibt viele Klassifikationen, zum Bei- spiel den Developmental Dental Index DDE [1982, 1992], die Klassifikationen von Murray und Shaw [1979] oder von Kamann und Gängler [1999] sowie den MIH Treatment Need Index (MIH TNI). Sie haben eine Bedeutung für kli- nische, epidemiologische, mikromor- phologische und molekularbiologische Studien; der MIH-TNI versucht auch, Diagnostik und Behandlung miteinander zu verknüpfen. Für die zahnärztliche Praxis sind jedoch das klinische Er- scheinungsbild sowie die Ergebnisse der Anamnese wichtig; für eine gute Dokumentation sind intraorale Foto- grafien empfehlenswert. ABGRENZUNG VON ANDEREN HYPOPLASIEN UND INITIALER KARIES Bei apikaler Parodontitis an Milch- zähnen beeinflusst die Entzündung das Schmelzorgan des Ersatzzahnes. Diese bleibenden Turner-Zähne finden sich meist an Prämolaren, seltener an Frontzähnen. Sie zeigen die typischen Zeichen einer Hypoplasie und Aplasie, treten jedoch nicht symmetrisch auf. Die Milchzahnintrusion bis zum vier- ten Lebensjahr schädigt die Ersatz- zähne mit labial weißen Flecken, bei einem Hämatom können sie durch den Erythrozyten-Abbau gelblich- bräunlich pigmentiert sein. Bei schweren Traumata folgt eine Dilazeration mit Abknickung des Kronen- und des nachfolgenden Wurzelanteils. Von klinischer Bedeutung sind Virus- infektionen im ersten Drittel der Schwangerschaft. Zum Rubella-Syn- drom bei Röteln der Mutter zählen Schmelz-Hypoplasien kombiniert mit Hypodontie und Formanomalien. Wahrscheinlich haben auch andere In- fektionen mit Influenzaviren, Corona- viren, Morbilliviren (Masern), Polio- myelitisviren und Varizellaviren (Windpocken) teratogene Schädigun- gen zur Folge, wozu Schmelz- und Dentin-Hypoplasien gehören könnten. Bei konnataler Lues liegt eine Infektion mit Treponema pallidum nach dem zweiten Schwangerschaftsdrittel vor. An den Inzisivi und ersten Molaren ent- wickeln sich typische Invaginations- störungen im Glockenstadium, die zu tonnenförmigen Frontzähnen mit inzisalen Einbuchtungen als Hutchin- son-Zähne und an den Molaren zu maulbeerförmigen Einschnürungen als Pflüger-Molaren führen. Ob SARS CoV- 2-Infektionen im ersten oder zweiten Schwangerschaftsdrittel zu ähnlichen Symptomen führen, wird sich ab 2026 zeigen. Intoxikationen mit Spurenelementen betreffen ausschließlich alimentäre oder medikamentöse Überdosierungen in der kindlichen Entwicklung durch Strontium (selten) oder Fluorid (häu- figer). Bei einem Strontiumgehalt des Trinkwassers ab 0,2 bis 34,0 mg/l zeigt sich eine Korrelation zur Zunahme von linienförmigen Schmelz-Hypopla- sien auch dann, wenn eine Fluorose ausgeschlossen werden kann. Die Fluorose der Zähne entwickelt sich als milde Form mit opaken Linien ent- lang der Perikymatien oder mit opaken Flecken ab 0,25 mg Fluorid-Supple- mentierung/Tag im ersten Lebensjahr oder ab 1,0 mg/l Fluorid im Trinkwas- ser vom ersten bis etwa zum sechsten Lebensjahr. Die Fluoridwirkung beruht auf einer Störung der Schmelzmatrix- DR. MONIKA KOLSKI Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dres. M. Kolski & M. Kolski Westerfilder Str. 6, 44357 Dortmund Foto: privat Abb. 6a: Schmelzaplasien an 33, 34, 35, 43 und 44 mit freiliegendem hypoplastischen Dentin mit inkomplettem Höckerverlust, jedoch verbliebenen Schmelzanteilen insbesondere an 33 und 43: Entstehung im dritten Lebensjahr Abb. 6b: Schmelzaplasien an 43 und 44, deutliche girlandenförmige Einziehungen der Schmelzhypoplasie an 43 bukkal, dagegen Schmelzaplasie mit fast vollständigem Verlust des Schmelzkronenmantels an 44: Entstehung im dritten Lebensjahr Foto: Gängler, Lang Foto: Gängler, Lang 32 | ZAHNMEDIZIN

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