Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 110, Nr. 20, 16.10.2020, (1928) Bildung und -Reifung mit einer erhöh- ten Porosität von über 15 Prozent (gegenüber gesundem Schmelz mit 0,1 Prozent ), die dazu führt, dass der poröse Schmelz nach der Eruption wie ausgestanzt mechanisch degradiert wird. Diese scharfen Demarkierungen sind differenzialdiagnostisch von den runden Schmelzübergängen bei metabolischen Aplasien eindeutig abgrenzbar. Die etablierte initiale Karies der Zähne führt mit dem porösen Körper der Läsion auch zu opak-weißen Flecken, deren Entstehung jedoch völlig ver- schieden von der metabolisch beding- ten Schmelz-Hypoplasie ist. Deren optische Erscheinung ist klinisch leicht unterschiedlich; kariöse Läsionen sind oft weniger scharf begrenzt und selten so deutlich opak wie Bildungsstörun- gen. Zudem unterscheiden sich die Lokalisationen: Hypoplasien mani- festieren sich fast immer an Höcker- spitzen und nahe der Inzisalkante, sel- tener (bei spät entstandenen Störungen) zahnhalsnah. Der hypoplastische Fleck folgt in seiner Ausdehnung zudem den koronalen Entwicklungslinien. Die initiale Karies beginnt fast immer an Fissuren und Approximalflächen, sel- tener entlang des Gingivarandes, dabei folgt sie streng der gingivanahen Plaqueausdehnung. Mit dieser Unter- scheidung lassen sich Hypoplasien und kariöse Läsionen in der Regel gut voneinander abgrenzen. EPIDEMIOLOGIE Für den behandelnden Zahnarzt ist es relevant zu wissen, wie oft eine Erkrankung vorliegt (Prävalenz) und wie viele neue Fälle es jedes Jahr gibt (Inzidenz): Diese Information erlaubt es ihm abzuschätzen, wie wahrschein- lich ein bestimmter Patient unter einer bestimmten Erkrankung leidet und welche Diagnostik- und Therapie- maßnahmen für diesen Patienten optimal sind. Andere Entscheidungs- träger (Gesundheits- und Wissen- schaftspolitiker, Hochschullehrer) sollten ebenfalls epidemiologische Kennziffern zur Hand haben, um bei- spielsweise Präventions- und Therapie- programme zu priorisieren oder Lehr- pläne entwickeln zu können, die die Häufigkeit und den Schweregrad von Erkrankungen angemessen berücksichtigen. Die berichtete Prävalenz von Hypopla- sien beziehungsweise – spezifischer – MIH variiert von Studie zu Studie erheblich, was vermutlich vor allem methodische Gründe hat: Verschiedene Stichproben wurden mit verschiede- nen Erhebungsmethoden und Fall- definitionen (DDE, EAPD) untersucht, was eine Vergleichbarkeit zwischen den Studien erschwert. Eine kürzlich durch- geführte systematische Übersicht und Meta-Regressionsanalyse [Schwendicke et al., 2018, 2019] (Abbildung 8) hat beispielsweise die globale Prävalenz und Inzidenz von MIH geschätzt; hier- bei wurden die Analysen innerhalb der räumlichen Einheiten der sogenann- ten „Global Burden of Disease (GBD) Studien“ durchgeführt. Bei den GBD- Studien werden Prävalenz, Inzidenz und die (auch durch den Schweregrad bestimmte) Krankheitslast (Burden) innerhalb von Superregionen und Regionen, die bestimmte sozioökono- mische und geografische Ähnlichkeiten aufweisen, analysiert. Auch wurden Subgruppenanalysen nach Geschlecht (männlich versus weiblich) und MIH- Falldefinition (EAPD versus andere) durchgeführt. Weiterhin wurden Analysen des Behandlungsbedarfs (das heißt Patienten mit subjektiven Symptomen und/oder posteruptivem Schmelzeinbruch und Kavitation) vor- genommen. Basierend auf einem Datensatz, der über 113.144 Teilnehmer aus 43 Län- dern umfasste, wurde die durchschnitt- liche (95 Prozent Konfidenzintervall) globale Prävalenz mit 12,9 Prozent (11,7–14,3 Prozent) geschätzt, wobei signifikante Unterschiede zwischen Superregionen, Regionen und Ländern sichtbar wurden. Die geschätzte Zahl der MIH-Fälle wurde für 2016 mit 811 Millionen geschätzt. Die höchste Fallzahl wurde in Süd- und Ostasien und Nordamerika festgestellt; auf Län- derebene trugen bevölkerungsreiche Länder wie Indien, China oder die Vereinigten Staaten erheblich zur (a) (b) 10 6 3 0 Fälle (Mio.) Fälle (Mio.) Keine Daten Keine Daten 0.2 0.15 0.10 0.05 0 Quelle: nach Schwendicke et al., 2019 Abb. 8: Globale Prävalenz (a) und Inzidenz (b) in Millionen Abb. 7: Vollbild einer symmetrischen, metabolisch ausgelösten Hypoplasie und Aplasie im Unterkiefer: Schmelzhypoplasie mit weißen opaken Flecken an 42; Schmelzaplasie mit teilweise freiliegendem hypoplastischem Dentin an 31 und 41; Schmelzaplasie an 36 und 46 mit Randabbrüchen an 36 lingual und 46 bukkal sowie abgerundeten Schmelzwulsten an 36 bukkal und 46 lingual, mit freiliegendem hypoplastischem Dentin über die ganze Molarenkrone. Zementfüllung mit Amalgamresten an 46, schließlich aplastische Spitze von 33 und Hypoplasien an den Höckerspitzen 34, 35 und 44: Entstehung im zweiten Lebensjahr Foto: Gängler, Lang 34 | ZAHNMEDIZIN
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