Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 110, Nr. 21, 1.11.2020, (2082) bei ziehenden und drückenden Schmerz- sensationen im Bereich der Wange und des Mittelgesichts linksseitig. Zu- sätzlich gab er an, dass er mehrmals im Jahr Episoden bitteren Geschmacks bemerke. Sein Hauszahnarzt habe be- reits ausführliche diagnostische Maß- nahmen durchgeführt: Alle Unter- suchungen der Zähne im Bereich des Oberkiefers linksseitig hätten keine pathologischen Befunde gezeigt. Klinisch waren die Zähne im zweiten Quadranten in einem regelrechten Zustand. Die Schleimhaut im Bereich des Oberkiefers linksseitig war reizfrei. Eine Fistel konnte nicht ausgemacht werden. Im Orthopantomogramm zeigte sich eine milchige Verschattung im Bereich der Kieferhöhle linksseitig (Abbildung 1). Es bestand der Verdacht auf eine nicht regelrecht knöchern konsolidierte Alveole regio 28. Die Nasenatmung linksseitig war im Ver- gleich gegenüber der rechten Seite leicht eingeschränkt. Auf Nachfrage berichtete der Patient, dass ihm der Zahn 28 vor mehreren Jahren entfernt worden sei. Es seien aber damals keine Komplikationen aufgetreten. Zur weiteren Klärung der Situation im Bereich der Kieferhöhle linksseitig wurde eine Computertomo- grafie der Nasennebenhöhlen in Nativ- technik angefertigt. Hier zeigte sich eine vollständige Verschattung der Kieferhöhle linksseitig sowie eine Ver- schattung im Bereich der vorderen Siebbeinzellen und der Stirnhöhle ebenfalls linksseitig (Abbildung 2). Auf- grund der klinischen und radiolo- gischen Befunde bestand der Verdacht auf eine rezidivierend aktive Mund- Antrum-Verbindung nach Entfernung des Zahns 28. Nach ausführlicher Aufklärung und Einverständniserklärung durch den Patienten wurde eine transorale und transnasale, endoskopisch unterstützte operative Exploration der Kieferhöhle linksseitig mit Infundibulotomie (Teil- entfernung des Proc. uncinatus und Eröffnung von Anteilen der vorderen Siebbeinzellen) in Intubationsnarkose im Rahmen eines zweitägigen statio- nären Aufenthalts durchgeführt. Trans- oral wurde die Kieferhöhle mithilfe eines osteoplastischen Zugangs nach der von Lindorf beschriebenen Technik eröffnet [Lindorf, 1984]. Schon bei Prä- paration des Knochendeckels entleerte sich reichlich Pus (Abbildung 3). Die Kieferhöhle war nahezu vollständig mit hyperplastischer Schleimhaut, putridem Exsudat und Schleimresten ausgefüllt (Abbildung 4). Es zeigte sich eine nicht knöchern konsolidierte Alveole regio 28, die mit Granulations- gewebe und Narbenzügen ausgekleidet war. Durch die stark angeschwollenen, entzündlichen Schleimhautareale war der natürliche Abfluss über das Ostium naturale nicht mehr gegeben (Abbil- dung 5). Es erfolgte die Ausräumung der Kiefer- höhle, die Erweiterung des Ostium naturale durch Uncinektomie und endoskopisch unterstützte Eröffnung der vorderen untersten Siebbeinanteile im Sinne einer Infundibulotomie. Die Alveole regio 28 wurde angefrischt, das Granulationsgewebe wurde entfernt und zur histopathologischen Unter- suchung asserviert. Der Knochendeckel konnte am Ende der Operation repo- niert und mit resorbierbarem Naht- material refixiert werden. Es erfolgte ein mehrschichtiger Wundverschluss mithilfe des nach palatinal luxierten Bichat-Wangenfettkörpers und Platelet- rich Fibrin. Die intraoperativ einge- brachte Nasentamponade konnte am ersten postoperativen Tag entfernt wer- den. Während des stationären Auf- enthalts erhielt der Patient eine Antibiotikatherapie mit Ampicillin/ Sublactam 2 g / 1 g 1–0–1 intravenös. Die initale Schwellung der Wange bes- serte sich rasch. Zur Förderung der Re- generation des Respirationsepithels wurden eine mehrwöchige konser- vative Therapie mittels Inhalationen, Phytotherapeutika sowie Nasensprays (Xylomethazolinspray und Corticoid- haltiges Nasenspray) empfohlen. Etwa sechs Wochen nach dem Eingriff war der Patient beschwerdefrei. Die drei Monate postoperativ durchge- führte Kontroll-Computertomografie bestätigte eine vollständige Ausheilung der Symptomatik im Bereich der Kieferhöhle, des Siebbeins und der Stirnhöhle linksseitig (Abbildung 6). Das histologische Ergebnis der aus dem Bereich der Kieferhöhle und des anterioren Siebbeins entnommenen Gewebeanteile bestätigte den klini- schen Verdacht auf das Vorliegen einer massiven chronischen Sinusitis. Abb. 2: Präoperatives Computertomogramm der Nasennebenhöhlen in Nativtechnik (koronale Schichtung); a: Schleimretention im Bereich des Sinus frontalis linksseitig; b: Schleimretention im Bereich des vorderen Siebbeins und Obstruktion sowie nahezu vollständige Verschattung des Sinus maxillaris (jeweils linksseitig). Quelle: Praxis Dr. Dr. Tröltzsch MARKUS TRÖLTZSCH Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Ansbach Dr. Dr. Tröltzsch Maximilianstr. 5, 91522 Ansbach Foto: Luise Mortag a b 72 | ZAHNMEDIZIN

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