Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2184) Ab Mai 2021 ist die MDR für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Medizinprodukten umzusetzen. Das betrifft zunächst Medizinprodukthersteller, für die dann ge- änderte – meist strengere – Vorgaben zu klinischen Prüfun- gen, technischen Dokumentationen, Klassifizierung, Produkt- kennzeichnungen und Konformitätsbewertung gelten. Während der Übergangsfrist 2017 bis 2021 sind „Zulassungen“ von Medzinprodukten vereinfacht dargestellt nach altem und neuem Recht möglich. WAS BEDEUTET DIES FÜR DIE ZAHNARZTPRAXIS? Das Ziel der EU-Medizinprodukteverordnung ist der Schutz des Patienten vor fehlerhaften oder risikobehafteten Medizin- produkten. Mit der Verordnung zielt die EU in erster Linie aber auf die Industrie und damit auch auf die Dentalindustrie ab. Der Großteil der Umsetzungsarbeit liegt insofern bei den Herstellern, die ihre Medizinsprodukte nach der MDR spezifizieren, klassifizieren und kennzeichnen müssen. Trotzdem gab und gibt es klare Vorgaben zum Betreiben und Anwenden von Medizinsprodukte, die unter anderem in der MPBetreibV geregelt sind. Das bedeutet, dass die MDR zum Anlass genommen werden sollte, um den praxisindividuellen Umgang (Dokumentation, Regelungen, Darstellung im Praxis-QM) auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen (sofern überhaupt vorhanden – ansonsten: Aufbau!). So sollte unbedingt geprüft werden, ob künftig Medizinsprodukte ein- gesetzt werden, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen (Aktualisierung der Medizinprodukte-Bücher, Verzeichnisse, Rücksprache mit Herstellern). Wichtig ist auch, das System zum Umgang mit Vorkommnissen mit Medizinsprodukten zu überprüfen. Vor einer großen Herausforderungstehen Zahnarztpraxen mit Eigenlabor. Hier ist entscheidend, ob Sonderanfertigungen oder serienmäßig hergestellte und vorkonfektionierte Produkte hergestellt werden oder nicht. Praxen, die nur ein Eigenlabor betreiben, müssen ihren Fokus im Bereich zahntechnische Werkstücke auf das Schnittstellenmanagement legen, also auf die Steuerung und Organisation der Abläufe zwischen Praxis und (Fremd-)Labor. Das Fremdlabor als Hersteller von Sonder- anfertigungen muss die MDR umsetzen. MEIN FAZIT Die QM-Regulierungen greifen immer vielschichtiger um sich und bei Nicht- oder Wenigbeachtung und -entwicklung eines QM-Systems wird es mit jeder neuen Regelung potenziell schwieriger, diese umzusetzen, da schlichtweg das Funda- ment fehlt, auf dem es aufzusetzen gilt. Das war in der Rück- schau seit der Verpflichtung zum QM in der Zahnarztpraxis 2006 – erstmalig umgesetzt 2010 – mit jedem neuen Gesetz so, zuletzt DSGVO und nun in der MDR. In der MDR sind auch Verpflichtungen aus der Vorgängerregelung übernommen worden. Dass die Vorgängerregelung noch nicht in der Praxis umgesetzt wurde, stellt keine Entbindung von der Verpflich- tung dar, diese nun korrekt, ausführlich und vollständig zu erbringen. Es ist für viele Zahnarztpraxen höchste Zeit, sich mit dem Thema intensiv zu befassen. \ In diesem Sinne ... Ihr Christian Henrici zusammen mit Monika Köhn, Mitglied im Praxisflüsterer-Team Henrici@opti-hc.de, www.opti-hc.de Ausblick: In Teil 2 gehe ich gesondert auf Zahnarztpraxen mit Eigenlabor ein und kläre, was als Sonderanfertigung gilt und damit unter die MDR fällt und was in diesem Fall zu unternehmen ist. DEFINITION DER „SONDERANFERTIGUNG“ GEMÄß MPG Sonderanfertigung gemäß MPG Kronen Festsitzender & herausnehmbarer Zahnersatz Kombinierter Zahnersatz Kieferorthopädische Geräte Aufbissschienen (KB) Epithesen Stifte, zum Beispiel zur dentinadhäsiven Befestigung (nur individuell angefertigte Stifte & -aufbauten) CEREC-Inlays Quelle: OPTI health consulting GmbH Keine Sonderanfertigung gemäß MPG Anpassung festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen Provisorien Tiefziehschienen (KB) Reparaturen Unterfütterungen Erweiterungen Modelle Bissnahmen Individuelle Abformlöffel Bearbeitung bereits bestehender Sonderanfertigungen, kein erstmaliges Inverkehrbringen Bestandteile des Herstellungsprozesses von Sonderanfertigungen CHRISTIAN HENRICI – DER PRAXISFLÜSTERER Mit der Erfahrung aus mehr als 3.200 umfassenden zahnärztlichen deutschlandweiten Mandaten in knapp fünfzehn Jahren beantwortet der Praxisexperte und Haupt- gesellschafter der „OPTI health consulting GmbH“ Fragen von Mandanten und Lesern zum Unternehmen Zahnarztpraxis. Der Einblick in seinen „Praxis“-Alltag soll Lösungs- ansätze aufzeigen, um Problemen in der Praxis so früh wie möglich begegnen zu können. Oder besser – um diese gar nicht erst entstehen zu lassen.
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