Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2210) ZM-SERIE: TÄTER UND VERFOLGTE IM „DRITTEN REICH“ Karl Friedrich Schmidhuber – NS-Dozentenführer mit Nachkriegskarriere Dominik Groß Prof. Karl Friedrich Schmidhuber (1895–1967) hatte im „Dritten Reich“ an der Universität Heidelberg das hoch- schulpolitisch einflussreiche Amt des NS-Dozentenbundführers inne und gehörte der Waffen-SS an. Trotz dieser politischen Belastung und trotz fehlender wissenschaftlicher Arbeiten avancierte er 1951 zum ordentlichen Professor an der Universität zu Köln, 1955 sogar zum Dekan der dortigen Medizinischen Fakultät. Wie erklärt sich dieser Karriereverlauf? S chmidhuber wurde am 21. Februar 1895 in Stuttgart als Sohn eines Schreiners und Betriebsleiters ge- boren. 1 Nach dem Abitur an der Ober- realschule im schwäbischen Esslingen schrieb er sich 1914 für die Studien- fächer Medizin und Zahnheilkunde ein. Allerdings musste er seine Aus- bildung nach Beginn des Ersten Welt- kriegs unterbrechen: Er wurde als Frontsoldat eingesetzt und diente zu- letzt als Leutnant d. R. 1918 konnte er dann sein Studium fortsetzen. Im Juni 1921 legte er die ärztliche Prüfung ab und im Januar 1922 erhielt er die ärzt- liche Approbation. Während er sein Studium in Göttingen und Tübingen absolviert hatte, brachte er die Promo- tion zum Dr. med. im Januar 1922 in Bonn zum Abschluss. 2 Bereits im No- vember 1922 folgten die zahnärztliche Prüfung und die Approbation, wieder- um in Bonn. Damit war Schmidhuber mit 26 Jahren bereits doppelapprobiert. Zunächst wurde er Assistent bei dem Chirurgen Adolf Henle in Dortmund. 1925 wechselte er als planmäßiger As- sistent an die Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten der Universität Bonn zu dem renommierten jüdischen Hochschullehrer Alfred Kantorowicz. 1927 wurde Schmidhuber ebenda zum „Hilfslehrer für Zahnheilkunde“ beför- dert. Im Dezember 1928 erlangte er die Habilitation 3 und nachfolgend die Ernennung zum Privatdozenten und Oberarzt. Mit Wilhelm Balters 4 (1893–1973, Habilitation 1926) und Gustav Korkhaus 5 (1895–1978, Habili- tation 1929) verfügte Kantorowicz in jenem Zeitraum noch über zwei weitere habilitierte Mitarbeiter. Als Kantorowicz im Frühjahr 1933 von den National- sozialisten aus dem Staatsdienst entlas- sen und zeitweise in KZ-Haft überführt wurde, wurde Schmidhuber zum kom- missarischen Direktor ernannt. Diese Aufgabe nahm er bis zur Berufung von Erwin Hauberrisser 6 im Frühjahr 1934 wahr. Nur ein Jahr später, im April 1935, konnte Schmidhuber dann selbst eine planmäßige außerordentliche Pro- fessur an der Universität Heidelberg antreten. Im Zweiten Weltkrieg übernahm er die Leitung einer Reservelazarett-Abteilung für Kiefer- und Gesichtsverletzte, die in der eigenen Heidelberger Klinik einge- richtet wurde, sowie einer „Außenstelle“ in der nahe gelegenen Wilckensschule. Wenige Monate nach Kriegsbeginn – im Mai 1940 – arrivierte Schmidhuber in Heidelberg zum ordentlichen Profes- sor und Direktor der Universitätsklinik. In dieser Zeit erwirkte er mehrere Ver- größerungsbauten der Zahnklinik sowie einen Ausbau der Bettenstation. AUS SEINER GESINNUNG HAT ER NIE EINEN HEHL GEMACHT Ende März 1945 geriet Schmidhuber dann in amerikanische Kriegsgefan- genschaft. Er wurde unter anderem im Internierten-Krankenhaus Nr. 2 Karls- ruhe festgesetzt, wo er bis Februar 1947 zugleich als Lagerarzt tätig war. Erst im Herbst 1947 kam er aus der Haft frei, nachdem er bereits im Oktober 1945 aus dem Hochschuldienst entlassen worden war. Er eröffnete zunächst eine Praxis in Heidelberg. Doch bereits im Oktober 1951 wurde er von der Universität zu Köln wieder zum ordentlichen Professor und Direktor der dortigen Universitätszahnklinik berufen. 1963 erfolgte die offizielle Emeritierung; er blieb jedoch noch bis Juli 1965 als (nunmehr kommissa- rischer) Klinikleiter im Amt. Schmidhuber war in erster Ehe (seit 1918) mit Ottilie Schlott (*1898) und in zweiter Ehe (seit 1941) mit Dr. rer. pol. Ilse Dingerdissen (*1910) verheiratet; Karl Friedrich Schmidhuber 1 Für die folgenden biografischen Ausführungen vgl. (sofern nicht anders ausgewiesen): BArch Berlin PERS 6/15532; Drüll, 2009, 543f.; Euler, 1955, 145–147; Forsbach, 2006, 291–293, 299–302, 333, 338–340; Köhler, 1965, 141f.; Langsch, 1992, 26–28; Schnizer, 1955, 85f.; Voß, 1996, 227–243; 2 Schmidhuber, 1922; 3 Schmidhuber, 1929; 4 Kramp, 1983; 5 Groß, 2018, 43–44; 6 Greiselmayer, 1952, 718; Foto: Kurt Kristen, 100 Jahre Mund-, Zahn- und Kieferklinik an der Universität Heidelberg (1895–1995) 76 | GESELLSCHAFT
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