Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2216) G rundsätzlich wird eine Entschä- digung nach dem Infektions- schutzgesetz nur dann geleis- tet, wenn die betroffenen Personen selbst nicht an COVID-19 erkrankt sind, sondern lediglich der Verdacht auf eine Infektion besteht. Sobald eine tatsächliche Erkrankung und damit eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, gelten die allgemeinen Regelungen bezüglich der Entgeltfortzahlung im Krankheits- fall. Eine Entschädigung nach dem Infek- tionsschutzgesetz (§§ 56 ff. IfSG) wird folglich nur dann gewährt, wenn keine Arbeitsunfähigkeit besteht. Dabei gehen die Behörden dazu über, den Ausgleichs- anspruch von Arbeitnehmern um circa drei bis fünf Arbeitstage zu kürzen. Dies wird damit begründet, dass ge- mäß § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Arbeitgeber zur Zahlung des Lohns weiterhin verpflichtet ist, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnis- mäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Erbringung der Arbeit verhindert ist. Da die Quarantäne regelmäßig für einen Zeitraum von 14 Tagen, also grundsätzlich zehn Arbeitstagen, ver- hängt wird, wird damit der Anspruch um 30 bis 50 Prozent gekürzt – zu- lasten des Arbeitgebers. Schließlich ist dieser im Falle des § 616 BGB zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. In diesem Fall besteht auch kein An- spruch gegenüber den Krankenkassen auf Erstattung der gezahlten Entgelte, da eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit gerade nicht vorliegt. Hervorzuheben ist, dass eine solche Anrechnung überhaupt nur dann möglich ist, wenn die Anwendung des § 616 BGB im jeweiligen Anstellungs- verhältnis vertraglich nicht abbedun- gen worden ist – was sehr wohl möglich ist. Dies hat zur Folge, dass Arbeitgeber, die die Anwendung des § 616 BGB aus- geschlossen haben, dem Risiko einer solchen Anrechnung entgehen. Ungeklärt ist, ob diese Anrechnung in Zeiten der Corona-Pandemie rechtmäßig ist. Die jeweiligen Behörden berufen sich in diesem Zusammenhang auf Urteile aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Dabei dürfte es sich allerdings um Ein- zelfallentscheidungen gehandelt haben und gerade nicht um grundlegende Urteile, die auf die momentane Situa- tion anzuwenden sind. Denn in diesen Entscheidungen ging es nicht um eine allgemeine Pandemie, sondern um Infektionen einzelner Personen ohne einen größeren Wirkungskreis. Insofern ist vorliegend fraglich, ob ein „persön- licher Grund“ im Sinne des § 616 BGB vorliegt. Aus unserer Sicht ist es vielmehr der Fall, dass durch die Quarantäne nur eine Pflicht gegenüber den zustän- digen Behörden erfüllt wird. Dass dies zulasten der Arbeitgeber geht, dürfte rechtlich zumindest bestreitbar sein. Bisher ist hier keine höchstrichterliche Rechtsprechung ersichtlich und bleibt abzuwarten. Es sollte aus unserer Sicht jedenfalls im Einzelfall geprüft werden, ob eine solche Kürzung der Ansprüche und die entsprechende Begründung der Behörden einer rechtlichen Prüfung standhalten. \ KOLUMNE HALBES HALBE Corona-Pandemie: Wer hat bei Quarantäne welche Ansprüche? Bernd Halbe Während der Corona-Pandemie sind Quarantänen auch gegenüber Praxen verhängt worden. Ausreichend dafür kann bereits sein, dass ein mit dem Corona-Virus infizierter Patient in der Praxis war und damit die dort tätigen Personen potenziell angesteckt hat. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Rechts- und Sachlage der Ausgleichs- ansprüche im Fall einer angeordneten Quarantäne. PROF. DR. JUR. BERND HALBE Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Rechtsanwälte Prof. Dr. Halbe, Rothfuß & Partner mbB www.medizin-recht.com Foto: privat Foto: AdobeStock_StudioLaMagica 82 | PRAXIS

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