Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 110, Nr. 23-24, 1.12.2020, (2288) FORTBILDUNG MIKROBIOM Das humane Mikrobiom und seine Bedeutung für die Zahnmedizin Stefan Rupf, Matthias Hannig Die Mikroflora hat die Entwicklung höherer Lebewesen über Millionen von Jahren begleitet. Der menschliche Organismus ist nicht von seinem Mikrobiom zu trennen. Gemeinsam bilden sie einen „Superorganismus“ oder „Holobionten“. Auch die Mundhöhle beherbergt hochkomplexe mikrobielle Gemeinschaften. Störungen des Gleich- gewichts im oralen Mikrobiom (Dysbiose) führen zu Erkrankungen wie Karies, Gingivitis und Parodontitis. Für die Zahnmedizin einerseits und die Patienten andererseits ist es gleichermaßen wichtig, ein symbiotisches, nicht- pathogenes Mikrobiom zu fördern und damit die Mundgesundheit wirksam zu unterstützen oder wiederherzustellen. Der zm-Fortbildungsteil „Mikrobiom“ soll einen aktuellen Überblick über unser Wissen zum oralen Mikrobiom präsentieren und zur Diskussion einer modernen oralen Gesundheitspflege beitragen. D er Mensch ist kein autonomer Organismus, sondern stellt ein komplexes multi-zelluläres eukaryotisches System dar, das zahl- reiche mikrobielle Symbionten, Noso- Symbionten und deren Genome beherbergt [Bordenstein und Theis, 2015]. Die Mikroorganismen in und auf dem menschlichen Körper können als ein funktionelles Organ betrachtet werden. Sie besitzen Bedeutung für physiologische Abläufe und letzt- endlich für die Gesundheit des Individuums. Die Anzahl der den menschlichen Körper besiedelnden Mikroorganismen übersteigt vermut- lich die der eigenen Zellen [Sender et al., 2016]. Die Gemeinschaft der den Menschen besiedelnden mikrobiellen Spezies wird als Mikrobiom bezeichnet. Dieser Begriff umfasst alle Kommensa- len, symbiotischen und pathogenen Mikroorganismen, deren genetische Information und Umgebung, mit der sie interagieren. Die Entwicklung neuer Technologien zur Analyse des Genoms, insbesondere die „next generation“-Sequenzier- techniken (NGS), und Entwicklungen auf dem Gebiet der Bioinformatik haben entscheidend zum heutigen Verständnis der Beziehungen von Or- ganismus und Mikrobiom beigetragen. Zu nennen sind in diesem Zusammen- hang vor allem das Humane Mikro- biom-Projekt [Turnbaugh et al., 2007] und weitere Metagenom-Projekte wie MetaHIT [MetaHIT Consortium, 2016], ein Projekt zur Untersuchung des Metagenoms des Darmtrakts, die hel- fen, das mikrobiologische Wissen zu ordnen und die Rolle des humanen Mikrobioms besser zu verstehen. Auch in Deutschland werden solche Projekte Foto: AdobeStock_Alex 46 | ZAHNMEDIZIN

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