Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

assoziiert, während Parodontitis eher mit gram-negativen Bakterien und me- thanogenen Archaeen der unteren Stammbaumhälfte assoziiert ist. WIE BAKTERIEN ENERGIE GEWINNEN MIKROBIELLE GÄRUNG UND SÄUREPRODUKTION Um Ordnung zu erhalten und erst recht um sie zu erzeugen, benötigt man bekanntermaßen Energie. Um Leben zu ermöglichen, benötigt man Stoffwechselenergie in Form von Ade- nosintriphosphat (ATP), die Energie- währung der Zellen. Leben erzeugt (regeneriert) sein ATP entweder über Atmung (sehr effizient), Photosynthese (effizient, wenn genügend Licht vor- handen ist) oder über die Gärung (in- effizient). Bei der Kariogenese spielen gram-positive Bakterien und saccharo- lytische Hefepilze eine besondere Rolle (Abbildung 3). Die meisten Bakterien und Hefen gewinnen ihre Energie durch die müh- selige Fermentation (Vergärung) von Zuckern und zuckerreichen Glyko- proteinen. Karies ist also unmittelbar ein Ergebnis der pH-senkenden Wir- kung von Gärungsendprodukten. Um die mikrobielle Kariesätiologie zu verstehen, muss man sich mit der Gä- rung und dort speziell mit der Milch- säuregärung befassen [Lagerweij und van Loveren, 2020; Marshall, 2019]. Viel Energie wird freigesetzt, wenn man – wie in einer Wasserstoffzelle – H 2 und O 2 (beziehungsweise einen an- deren H 2 -Akzeptor wie Nitrat, Pyruvat, Acetyl-Coenzym A, Acetaldehyd) zu- sammenbringt. Bei der Gärung werden während der Glykolyse die Zucker so gespalten, dass molekularer H 2 ent- steht und gleichzeitig ein H 2 -Akzeptor. Dann wird abschließend H 2 auf Akzepto- ren wie Pyruvat (zu Milchsäure), Acetyl- CoA (zu Essigsäure) oder Acetaldehyd (zu Ethanol) übertragen und die frei- werdende Energie als ATP gespeichert. Das geht schnell, ist aber ineffizient, da der Abbau früh gestoppt wird und nur ein bis vier Moleküle ATP pro Molekül Glucose (also zwei bis acht Moleküle ATP pro Molekül Haushaltszucker, Saccharose) gebildet werden. Eine menschliche Zelle holt da locker neun- mal mehr Energie heraus, indem sie über Zitratzyklus und Atmungskette die organische Materie soweit abbaut, bis nur noch CO 2 und H 2 O als End- produkte verbleiben. Die Ineffizienz zwingt gärende Keime dazu, viel Substrat umzusetzen und so entstehen bereits bei normalem Zuckerkonsum 30 bis 50 mg Milch-, Essig- und andere organische Säuren sowie Ethanol und CO 2 pro Tag. Der menschliche Speichel könnte die Säure prinzipiell sehr einfach puffern, aber Diffusionsbarrieren – wie der Biofilm mit teils wasserunlöslichen extra- zellulären Polysacchariden (Dextrane, Mutan) – behindern die Puffersysteme und so kommt es lokal zur Deminera- lisation, zur Schmelz-Primärläsion und schließlich zur Kavitation. WAS DAS MIKROBIOM KARIOGEN MACHT Quantitativ finden wir 100 Millionen Bakterien pro Milliliter Speichel bezie- hungsweise Milligramm Plaque. Der quantitative Eintrag erhöht sich mit der Nahrungsaufnahme und wird ge- senkt durch Mundhygienemaßnah- men. Das ist jedoch hier nicht das Thema. Betrachten wir also die qualita- tive Zusammensetzung der bakteriellen Mundflora, das Mikrobiom, um darin nach bedeutsamen Unterschieden bei der Anfälligkeit für Karies zu suchen. Die Mundflora besteht aus acht häufi- gen (Anteil > 1 Prozent aller Spezies und Taxa) und sehr vielen seltenen Bak- teriengruppen, die wir Phyla nennen. Ein Phylum besteht aus mehreren Ord- nungen, die aus mehreren Familien, die aus mehreren Gattungen, die aus mehreren Arten und schließlich aus mehreren Stämmen und unzähligen Isolaten bestehen. Für die Kariogenese kann man seine Betrachtung auf zwei bis drei Phyla (Firmicutes, Proteobakte- rien, Aktinobakterien) beschränken, was aber zusammen genommen 500 Arten sind, die etwa 65 Prozent der Mundflora ausmachen. Hinzu kommen noch die gärenden Hefepilze, wenn wir das prinzipielle kariogene Potenzial be- werten wollen. Damit sollte klar sein, dass wir eine säurefreie Mundhöhle niemals erreichen können. Eliminiert man einige der Top-Zuckerfermenter (Saccharolyten), so werden andere schnell diese Nische besetzen. zm 110, Nr. 23-24, 1.12.2020, (2297) AUßERGEWÖHNLICHE BILDQUALITÄT Dank der neuen CleanCapture- Technologie, nutzen Sie eine deutlich verbesserte Signalleistung (bestes Signal-Rauschverhalten) und erweitern den Dynamikbereich. WIR KÖNNEN SERVICE Walther-Rathenau-Straße 4 | 06116 Halle (Saale) Tel.: 0345-298 419-0 | Fax: 0345-298 419-60 E-Mail: info@ic-med.de | www.ic-med.de Berlin | Chemnitz | Dortmund | Dresden | Halle/S. ZAHNMEDIZIN | 55

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