Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (54) FORTBILDUNG MIKROBIOM Der Einfluss des Darmmikrobioms auf neurodegenerative Erkrankungen Charlotte Mezö, Marco Prinz, Daniel Erny In den vergangenen Jahren konnte gezeigt werden, dass die Darmmikrobiota die Funktion des Gehirns beeinflusst und es wurde das Konzept der sogenannten Darm-Hirn-Achse entwickelt. Auch die Gewebs- makrophagen des zentralen Nervensystems (ZNS), Mikroglia genannt, werden von Darmbakterien beeinflusst. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Veränderungen des Darmmikrobioms in Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer- oder der Parkinson- Krankheit stehen, was im folgenden Beitrag erläutert wird. D ie Vorstellung, dass das Mikro- biom zur Pathologie von Erkran- kungen des zentralen Nerven- systems (ZNS) beitragen kann, wird von aktuellen Berichten geteilt [Sharon et al., 2016]. Mehrere Studien belegen, dass eine Veränderung der Darmbakterien mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit („Alzheimer‘s disease“, AD) [Mezö et al., 2020; Minter et al., 2016; Vogt et al., 2017], der Par- kinson-Krankheit („Parkinson’s disease“, PD) [Keshavarzian et al., 2015; Scheper- jans et al., 2015] und anderen neuro- logischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose [Berer et al., 2011] und Autis- mus-Spektrum-Störungen [Tabouy et al., 2018] in Verbindung steht. Dabei könnten sich Mikroglia als die residenten Gewebsmakrophagen im ZNS, die zum angeborenen Immunsys- tem gehören, als zelluläre Mediatoren zwischen Darm und Gehirn heraus- stellen. Bei nahezu jeder Erkrankung, die das Gehirn betrifft, sind Mikroglia in der Pathogenese beteiligt, wobei die molekularen Mechanismen, die die Aktivität und die Funktionen der Mikroglia unter Homöostase und im pathologischen Zustand steuern, bis heute nur zum Teil verstanden sind. Man ist bisher davon ausgegangen, dass das Gehirn durch seine anatomischen und physiologischen Eigenschaften immunologisch privilegiert und wei- testgehend geschützt vor äußeren Ein- flüssen ist. 2015 wurde der bisher un- bekannte Einfluss der Wirtsmikrobiota auf die Reifung und Funktion der Mikroglia im ZNS nachgewiesen [Erny et al., 2015]. Mikroglia von keimfrei (germ-free, GF) gehaltenen Mäusen ohne Darmbakterien zeigten im Ver- ZUM FORTBILDUNGSBEITRAG Die Arbeitsgruppe um den diesjährigen Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Marco Prinz (Neuropathologie Freiburg) beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Frage, ob das Darmmikrobiom die Mikroglia des zentralen Nervensystems beeinflusst. In diesem Zusammenhang wurde klar, dass neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer direkt mit Störungen des Darmmikrobioms in Verbindung gebracht werden können. Dabei scheinen auch Mikroorganismen, die man in der Mundhöhle antrifft, eine Rolle zu spielen. Dieser Fortbildungsbeitrag, der sich nicht mit dem Mikrobiom der Mundhöhle beschäftigt, soll auf- zeigen, wie sich künftige Forschungsprojekte in der Zahn- medizin möglicherweise mit allgemeinmedizinischen Fragestellungen verknüpfen lassen. Im Vergleich zum Darmmikrobiom sind die Mikroorganismen der Mundhöhle leicht zugänglich und möglicherweise auch einfacher zu beeinflussen. Prof. Dr. Elmar Hellwig, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinikum Freiburg Quelle: Mezö, Prinz, Erny Abb. 1: Mikroskopische Fluoreszenzaufnahme der Alzheimer-Erkrankung im Mausmodell: Die Aufnahme stellt Amyloid-beta(A β )-Ablagerungen (Thiazin Rot, rot) und Mikroglia (Iba1, grün) im AD-Tiermodell dar. Die Zellkerne sind durch DAPI blau gefärbt. 56 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=