Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (55) gleich zu Mäusen mit Darmbakterien eine veränderte Morphologie, Zellzahl, Genexpression und Immunantwort. Kurzkettige Fettsäuren (short-chain fatty acids, SCFAs), die von intestinalen Bakterien bei der Fermentation von Ballaststoffen synthetisiert werden, konnten als die bakteriellen Moleküle identifiziert werden, die für die Reifung und die Funktion der Mikroglia verant- wortlich sind [Erny et al., 2015]. Weitere grundlagenwissenschaftliche und klinische Studien sind allerdings un- erlässlich, um ein besseres Verständnis über den Zusammenhang von Darm- bakterien mit Erkrankungen des ZNS zu erlangen und um neue geeignete therapeutische Ansätze zu entwickeln. ALZHEIMER-ERKRANKUNG Die Alzheimer-Erkrankung (AD) wurde nach dem deutschen Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer be- nannt, der im Jahr 1906 bei der ver- storbenen Patientin Auguste Deter als Erster eine Demenzerkrankung be- schrieb [Holtzman et al., 2011]. AD ist mit 40 bis 50 Millionen Betroffenen weltweit die häufigste neurodegene- rative Erkrankung und Ursache einer Demenz, wobei Frauen häufiger er- kranken als Männer [Nichols et al., 2019]. Ein wichtiger Risikofaktor für die Ent- wicklung von AD ist das Alter, aber auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Die erblich bedingte familiäre Form macht jedoch nur weniger als fünf Prozent aller Fälle aus, dabei tritt die Erkrankung in der Regel deutlich vor dem 60. Lebensjahr auf [Bertram und Tanzi, 2012]. Trotz intensiver For- schung gibt es auch heute noch keine vielversprechenden Behandlungs- möglichkeiten. Histomorphologisch charakteristisch sind die Anhäufung des hyperphos- phorylierten Tau-Proteins und die extrazelluläre Ablagerung von Beta- Amyloid(A β )-Peptiden, die durch die pathologische enzymatische Spaltung des Amyloid-Vorläuferproteins (amy- loid precursor protein, APP) gebildet werden und als sogenannte A β -Plaques im Gehirn akkumulieren (Abbildung 1) [Iqbal et al., 2005; Selkoe und Hardy, 2016]. Die frühe zerebrale A β -Ablage- rung beginnt bereits Jahrzehnte vor dem Auftreten erster klinischer Symp- tome [Sperling et al., 2014] und treibt die weitere Entwicklung und das Fort- schreiten der AD an [Thériault et al., 2015]. Durch die A β -Ablagerungen kommt es zu einer Aktivierung von Mikroglia, die versuchen, die A β -Ablagerungen abzu- bauen (Abbildung 1). Dabei wird eine Immunreaktion ausgelöst, bei der pro- inflammatorische und neurotoxische Moleküle gebildet werden, die im wei- teren Krankheitsverlauf zum Verlust von Synapsen und zur Degeneration von Neuronen führt. Folglich ist diese neurodegenerative Erkrankung symp- tomatisch gekennzeichnet durch fort- schreitenden Gedächtnisverlust und den Rückgang kognitiver Funktionen [Selkoe und Hardy, 2016]. Neben gene- tischen Risikofaktoren gibt es Hinweise darauf, dass auch die Darmbakterien eine entscheidende Rolle beim Fort- schreiten der AD spielen könnten [Harach et al., 2017; Mezö et al., 2020; Minter et al., 2016]. CME AUF ZM-ONLINE Einfluss des Darmmikrobioms auf neurodegenerative Erkrankungen Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME- Punkte der BZÄK/ DGZMK. CHARLOTTE MEZÖ, M.SC. \ seit 2017: Promotion in Biologie am Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Freiburg \ 2014–2017: Masterstudiengang Neurobiologie, Eberhard-Karls Universität Tübingen \ 2011–2014: Studium der Biologie (Bachelor of Arts), Eberhard-Karls Universität Tübingen Foto: Universitätsklinikum Freiburg Quelle: Mezö, Prinz, Erny Abb. 2: Einfluss der Darmbakterien auf Mikroglia während der Alzheimer-Erkrankung im Tiermodell: Mikroglia (blau) phagozytieren A β -Ablagerungen (rot). ZAHNMEDIZIN | 57

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