Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (56) Neuere Untersuchungen bei AD- Patienten haben eine Korrelation von A β -Ablagerungen, proinflammato- rischen Zytokinen im Blut und be- stimmten Darmbakterien bei kognitiv beeinträchtigten Patienten hervor- gehoben [Cattaneo et al., 2017]. Eine weitere Analyse der Stuhlproben von AD-Patienten im Vergleich zu denen von gesunden Kontrollpatienten ergab eine reduzierte mikrobielle Diversität [Vogt et al., 2017]. Im Rahmen von Untersuchungen in transgenen AD- Mausmodellen deutete die mikrobielle Zusammensetzung der entnommenen Stuhlproben im Vergleich zu gesunden Kontrollmäusen auf eine geringere Diversität hin, was möglicherweise Auswirkungen auf die A β -Ablagerun- gen im Gehirn hat [Harach et al., 2017; Minter et al., 2016]. Im Gegensatz dazu konnten zwei aktuelle Studien keine robusten Veränderungen der mikrobiellen Diversität bestätigen [Mezö et al., 2020; Parikh et al., 2020]. Um genauer untersuchen zu können, welchen Einfluss die Darmflora auf die A β -Ablagerungen und das Fortschreiten der AD hat, wurden Studien in trans- genen Alzheimer-Mäusen durchgeführt, die unter GF-Bedingungen (keimfrei) aufgezogen wurden oder deren Darm- bakterien durch die Gabe von Antibio- tika (ABX) reduziert wurden [Harach et al., 2017; Mezö et al., 2020; Minter et al., 2016]. Sowohl keimfrei aufgezogene als auch ABX-behandelte AD-Mäuse wiesen weniger A β -Ablagerungen auf als transgene Kontrolltiere mit Darm- mikrobiom, sowohl im frühen Erkran- kungsstadium als auch im bereits fort- geschrittenen Stadium [Colombo et al., 2020; Harach et al., 2017; Mezö et al., 2020; Minter et al., 2016]. Damit einhergehend zeigten GF- und ABX-behandelte AD-Tiere ein verbes- sertes Lernverhalten und verbesserte Gedächtnisfunktionen [Mezö et al., 2020]. Darüber hinaus wurde eine reduzierte Konzentration von SCFA im Blutplasma von AD-Mäusen entdeckt [Colombo et al., 2020]. Durch die Gabe von SCFA wiesen GF-AD-Mäuse eine verstärkte Ablagerung von A β auf, was darauf hindeutet, dass SCFA den Krankheitsverlauf im Tiermodell ver- schlechtert [Colombo et al., 2020]. Doch was genau ist verantwortlich für das schnellere Fortschreiten der AD-Er- krankung durch die Darmbakterien? Mikroglia können lösliche A β -Oligo- mere über Zelloberflächenrezeptoren wie zum Beispiel TLRs („Toll-like receptor“) erkennen, was zu einer Aktivierung von Mikroglia führt. Mikroglia versuchen, A β -Ablagerungen durch Phagozytose abzubauen und einzudämmen (Abbil- dung 1). Eine anhaltende Aktivierung der Mikroglia und die Exposition gegen- über neurotoxischen proinflammato- rischen Zytokinen und Chemokinen führt jedoch über die Zeit zur Degene- ration von Neuronen, was entschei- dend zum Fortschreiten der Krankheit beiträgt [Heneka et al., 2015]. In GF-AD-Mäusen wurde gezeigt, dass Mikroglia eine erhöhte Phagozytose- Aktivität von A β aufweisen und damit eine entscheidende Rolle bei der Re- duktion der A β -Ablagerungen haben [Mezö et al., 2020]. Damit einher- gehend zeigten Mikroglia von GF-AD- Mäusen eine erhöhte Expression von Genen, die mit Phagozytose in Verbin- dung stehen, wie Trem2 (Triggering receptor expressed on myeloid cells 2), Tyrobp (TYRO protein tyrosine kinase- binding protein), C1qb (complement component 1q) und Apoe (Apolipo- protein E) [Mezö et al., 2020]. Diese Ergebnisse deuten insgesamt da- rauf hin, dass sich die Darmbakterien negativ auf die AD-Pathologie auswir- ken, wobei die Beseitigung von A β -Ab- lagerungen durch Mikroglia beein- trächtigt wird (Abbildung 2). Jedoch sind weitere grundlagenwissenschaft- liche und klinische Untersuchungen unerlässlich, um den Zusammenhang zwischen Mikrobiota und AD besser zu verstehen und zukünftig etwaige Therapieoptionen zu ermöglichen. PARKINSON-ERKRANKUNG Die Parkinson-Krankheit (PD) ist eine progressive Bewegungsstörung, ge- kennzeichnet durch Rigidität, Tremor, Bradykinese, aber auch durch nicht- motorische Symptome wie Darm- beschwerden und chronische Obstipa- tion [O’Sullivan et al., 2008]. Auf histopathologischer Ebene geht die PD mit der Akkumulation von α -Synuclein ( α -Syn)-Aggregaten, sogenannten Lewy- Körperchen, einher. Im Verlauf kommt es dadurch zur langsam fortschreiten- den Degeneration dopaminerger Neu- ronen in der Substantia nigra des Mit- telhirns [Dickson, 2018; Shulman et al., 2011]. Bei fast 80 Prozent der PD-Patienten liegen gastrointestinale Anomalien, einschließlich beeinträchtigter Magen- motilität, bakterieller Überbesiedelung des Dünndarms und Heliobacter-pylo- ri-Infektionen vor [Fasano et al., 2015; Scheperjans et al., 2015]. Spekuliert wird, dass sich α -Syn-Aggregate zunächst im PROF. DR. MED. MARCO PRINZ \ 1990–1996: Medizinstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin (Charitè) \ 1997: Dissertation in Humanmedizin, Humboldt-Universität zu Berlin (Charitè) \ 1997–1998: Postdoc, Zelluläre Neuro- wissenschaft, Max Delbrück Center (MDC), Berlin \ 1999–2000: Postdoc, Institut für Neuro- pathologie, Universitätsspital Zürich \ 2001–2002: Senior-Postdoc, Institut für Neuropathologie, Universitätsspital Zürich \ 2002–2008: Gruppenleiter und seit 2004 Oberarzt, Institut für Neuropathologie, Georg- August-Universität, Göttingen \ 2004: Habilitation in Neuropathologie, Georg-August-Universität, Göttingen \ seit 2008: Ärztlicher Direktor (W3), Institut für Neuropathologie, Uniklinikum Freiburg Prinz war Koordinator wissenschaftlicher Großprojekte und Konferenzen, etwa bei DFG-SFB/TR1667 „NeuroMac“ (Sprecher), DFG-Forschergruppe FOR 1336 „Brain macrophages“ (Co-Sprecher), Keystone Konferenz „Microglia”, Keystone, USA (Organisator). Er ist als Reviewer für Fach- journale tätig, so für Cell, Immunity, Nature, Nat Neurosci, Science. Foto: Universitätsklinikum Freiburg 58 | ZAHNMEDIZIN

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