Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (57) Bereich des Zäkums anhäufen, dann über das enterische Nervensystem über den Vagusnerv ins Gehirn gelangen und sich dadurch in sporadischen Fällen „prionenartig“ ausbreiten [Braak et al., 2004]. Diese Vermutung wird gestützt durch den Umstand, dass α -Syn-Aggregate bereits früh im Darm, in den enterischen Neuronen und im Vagusnerv vorhanden sind, bevor sie überhaupt im zentralen Nervensystem nachweisbar sind [Bencsik et al., 2014; Braak et al., 2004]. Weiterhin wurde eine abnormale intes- tinale Permeabilität beobachtet, die die Ausbreitung von α -Syn ins ZNS fördern könnte [Forsythe et al., 2014]. In einem Tiermodell demonstrierten Holmqvist und Kollegen, dass die Injektion von fibrillärem α -Syn ins Darmgewebe von gesunden Ratten ausreichend ist, um im Vagusnerv und Hirnstamm eine Pathologie auszulösen [Holmqvist et al., 2014]. Des Weiteren zeigte eine vollständige Vagotomie eine gedämpfte Progression der Erkrankung, was die Beteiligung des Vagusnervs als Kanal für die Aus- breitung von α -Syn vom enterischen System ins ZNS nahelegt [Svensson et al., 2015]. Andererseits wurde die elek- trische Stimulation des Vagusnervs und dessen potenzielle antiinflam- matorische Wirkung im Gehirn von Mäusen untersucht, denen bakterielle Lipopolysaccharide (LPS) verabreicht wurden, um eine Entzündungsreaktion zu induzieren [Meneses et al., 2016]. Folglich zeigte sich nach der elektrischen Stimulation eine reduzierte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, wie Interleukin-6 (IL-6) und Tumor- nekrosefaktor alpha (TNF α ), durch Mikroglia im Gehirn. Diese Reaktion blieb bei Mäusen, die einer Vagotomie unterzogen wurden, aus. Diese Studien unterstützen die An- nahme, dass α -Syn über den Vagusnerv ins Gehirn gelangt und Mikroglia akti- viert. Allerdings ist die Vorstellung, dass die Aggregation im enterischen Nervensystem beginnt und sich auf das ZNS ausbreitet weiterhin umstritten [Burke et al., 2008], daher sind weitere Studien notwendig, um ein besseres Verständnis über den Einfluss der Darmbakterien auf die PD zu erlangen. Was die mikrobielle Zusammensetzung betrifft, so zeigten Analysen von Stuhl- proben von PD-Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden eine veränderte mikrobielle Zusammensetzung, die mit dem klinischen Phänotyp der Erkran- kung korrelierte [Keshavarzian et al., 2015; Scheperjans et al., 2015]. Eine Untergruppe von PD-Patienten zeigte ein vermehrtes Vorkommen von Entero- bacteriaceae und eine Reduktion von Bacteroidetes und Prevotellaceae, was mit dem Schweregrad der motorischen Symptome assoziiert war. Unger und Kollegen entdeckten ver- änderte SCFA-Konzentrationen im Stuhl von Parkinson-Patienten, was darauf hindeutet, dass mikrobielle Metabolite eine Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit spielen könnten [Unger et al., 2016]. Dieser Befund wurde auch im transgenen Parkinson-Mausmodell bestätigt [Sampson et al., 2016]. Kon- ventionell gehaltene Tiere wiesen zu- sammen mit motorischen Funktions- störungen ein hohes Maß an α -Syn- Aggregation im Gehirn auf, wohin- gegen bei GF-Tieren deutlich weniger α -Syn-Aggregationen und motorische Defizite beobachtet wurden. Durch die Gabe von SCFA wurden die Symptome wieder drastisch verstärkt. Wie zuvor im Kontext von AD be- schrieben, führt auch die Akkumulation von α -Syn bei PD zur Aktivierung von Mikroglia [Kim et al., 2013; Sanchez- Guajardo et al., 2013], was zu einer er- höhten Expression von TNF α und IL-6 in Mikroglia führt [Sampson et al., 2016]. Die Aktivierung der Mikroglia in GF transgenen PD-Mäusen war deutlich abgeschwächt und konnte durch die Gabe von SCFA wieder ver- stärkt werden (Abbildung 3). Die Akti- vierung der Mikroglia korrelierte mit dem Ausmaß der α -Syn-Ablagerungen und der entsprechenden motorischen Beeinträchtigung. Gegenwärtig kann man davon aus- gehen, dass Darmbakterien die α -Syn- abhängige Immunaktivierung der Mikroglia beeinflussen, aber inwieweit die Darmbakterien die PD-Pathologie auslösen oder sogar antreiben, ist noch weitestgehend ungeklärt und wird in aktuellen Studien untersucht. \ Quelle: Mezö, Prinz, Erny Abb. 3: Einfluss der Darmbakterien auf Mikroglia während der Parkinson-Erkrankung im Tiermodell: Mikroglia (blau) werden durch alpha-Synuclein-Ablagerungen (rot) aktiviert und sezernieren neurotoxische Zytokine wie beispielsweise Tumornekrosefaktor alpha (TNF α ) und Interleukin (IL) 6 (orange). ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. ZAHNMEDIZIN | 59

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