Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 3

zm 111, Nr. 3, 1.2.2021, (164) promovierte im Oktober 1923 über „Die Steinbildung im Kindesalter“ zur Dr. med. dent. 3 1924 setzte sie – ebenfalls in München – das Medi- zinstudium fort. Parallel fungierte sie seit 1925 als (Hilfs-)Assistentin an der konservierenden Abteilung der Münchner Universitätszahnklinik bei Peter Paul Kranz (1884–1957). 1926 bestand Kösters die ärztliche Prüfung und erlangte die zweite Ap- probation. 1928 folgte in München die Promotion zur Dr. med. über „Neue zwillingspathologische Unter- suchungen der Mundhöhle“. 4 1929 wurde sie ordentliche Assistentin bei Kranz und 1931 habilitierte sie sich bei ihm für das Fach Zahnheilkunde – mit „Schädelmessungen mittels der Röntgenstereogrammetrie“. 5 Im Dezember 1931 fand ihre Antritts- vorlesung statt (Abbildung 2) 6 und im März 1932 wurde sie in München zur Privatdozentin ernannt – nur wenige Monate vor Elsbeth von Schnizer (1900–1998) 7 , die sich in jenem Jahr in Heidelberg als zweite Deutsche für Zahnheilkunde habilitieren konnte. 1935 ließ sich Kösters dann in eige- ner Praxis in München nieder, zeit- weise zusammen mit dem Zahnarzt Anton Schug (1899–1963/64). Sie ver- öffentlichte jedoch weiterhin wissen- schaftliche Arbeiten und nahm Lehr- aufgaben wahr, so dass Kranz 1938 den Antrag stellte, sie zur nichtbeam- teten außerordentlichen Professorin zu ernennen. Besagtem Antrag wurde stattgegeben. 1939 folgte dann die Verbeamtung. Im Dezember 1941 heiratete sie Anton Schug und trug seitdem den Namen Schug-Kösters. 8 Bereits im September 1942 brachte sie den gemeinsamen Sohn Hans- Peter zur Welt; die Ehe hatte indes nur bis 1950 Bestand. 9 PARTEILPOLITISCH GALT SIE 1945 ALS NEUTRAL Nach Ende des Zweiten Weltkriegs mussten die beiden Leiter der Münchner Universitätszahnklinik – Kranz 10 und Karl Pieper (1886–1951) 11 – aufgrund ihrer politischen Belas- tung die Universität verlassen. Nun schien die Stunde von Schug-Kösters zu schlagen: Sie war (aus nicht er- sichtlichen Gründen) im Status einer Parteianwärterin 12 verblieben und war lediglich im NS-Lehrerbund und in der SA Mitglied geworden, ohne jedoch ein Amt zu bekleiden. 13 Wäh- rend rund zwei Drittel der zahnärzt- lichen Hochschullehrer bis 1945 der Partei beigetreten waren, 14 galt sie als parteipolitisch neutral. So urteilte die NS-Dozentenschaft 1938: „Weltanschaulich-politisch ist sie [...] sicher keine Gegnerin des Dritten Reiches und politisch als in- different zu beurteilen.“ 15 Von Schug- Kösters selbst finden sich keine Aus- sagen zum Nationalsozialismus – mit Ausnahme der eher nebensächlichen Befunde, dass sie den von vielen gefürchteten zahnärztlichen Reichs- dozentenführer (und Münchner Kollegen) Pieper als liebenswürdig beschrieb und ihre offiziellen Briefe mit dem Hitlergruß versah. 16 Beck schildert Schug-Kösters zusam- menfassend als „eine Person, die sich weder politisch engagierte, noch das NS Regime unterstützte“. Sie habe vielmehr den Mut besessen, „jüdi- schen Mitbürgern ihre Hilfe anzu- bieten. So verhalf sie beispielsweise selbstlos Karl Bragard (1890–1973), vor der Gestapo unterzutauchen“. Bragard war 1934 Vertreter des Lehr- stuhls für Orthopädie an der Univer- sität München. 17 Schug-Kösters musste sich nach 1945 keinem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Daher wurde ihr – in der Nachfolge von Kranz und Pieper – die Leitung der Zahnklinik der Universi- tät München übertragen. Im Herbst 1947 musste sie das Amt wieder an Kranz abtreten, blieb jedoch Leiterin der konservierenden Abteilung und wurde verbeamtet. Als Kranz 1953 emeritiert wurde, ging die Klinik- leitung an Josef Heiß (1908–1973). Schug-Kösters blieb Abteilungsleiterin – bis zu ihrer Emeritierung im November 1968. Sie verstarb am 31. August 1975 in ihrem Wohnhaus in München-Pasing an einem Krebs- leiden. 18 DIE UNIVERSITÄTSPOSTEN WAREN IN MÄNNERHAND Schug-Kösters war die erste doppelt approbierte Frau in Deutschland und überdies die erste Habilitierte im Fach Zahnheilkunde. Doch diese Fakten erzählen nicht die ganze Geschichte: Die erwähnte Praxis in der Maximi- liansstraße eröffnete sie 1935 des- halb, weil sie in Konkurrenz zu männlichen Kollegen stand. Tatsäch- lich fanden die Frauen im „Dritten Reich“ an den Universitäten keine gleichen Rahmenbedingungen vor. 19 So erhielten (potenzielle) „Familien- väter“ in dieser Zeit bei Stellen- konkurrenz oft den Vorzug gegen- über weiblichen Kollegen. Auch Elsbeth von Schnizer musste ihre Stelle in Heidelberg einem Kollegen überlassen. 20 Die exakten Hintergründe der Praxis- niederlassung von Schug-Kösters sind nicht bekannt – allerdings schrieb sie hierzu 1939 vielsagend: 3 Schug-Kösters (1923); 4 Schug-Kösters (1928); 5 Schug-Kösters (1933); 6 Groß (2019), 71b; UA LMU München, E-II 3078; 7 Groß (2021); 8 Heiß (1960), 509; 9 Beck (2009), 20, 57f.; 10 Falck (1954), 177–179; 11 Groß (2020a); 12 BArch R 9361-IX/40021304; 13 BArch R 9361-IX/40021304; BArch R 4901/13268; 14 Groß (2018 und 2020b); Groß/Krischel (2020); 15 Beck (2009), 19; 16 BArch R 73/16073; 17 Beck (2009), 23; 18 Beck (2009), 22–29, 59; 19 Groß (1998 und 2009); Groß/Schäfer (2011); 20 Groß (2021) Foto: Deutscher Zahnärzte-Kalender 13 (1954), 70 Maria Schug-Kösters 46 | GESELLSCHAFT

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