Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4
zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (252) INTERVIEW MIT DEN SPITZENFRAUEN GESUNDHEIT Der verflixte Thomas-Kreislauf Im Gesundheitswesen trifft man auf viele kompetente Frauen, die wollen und können. Ganz nach oben schaffen es dann trotzdem meist die Männer. Woran das liegt und warum eine Quote dieses Muster durchbrechen kann, erläutern Antje Kapinsky und Cornelia Wanke vom Verein Spitzenfrauen Gesundheit. Aus Sicht der „Spitzenfrauen Gesundheit“ weist der Entwurf zum Führungspositionengesetz II noch gravierende Lücken auf. Was müsste aus Ihrer Sicht verbessert werden? Antje Kapinsky und Cornelia Wanke: Es ist gut, dass die Koalition den Schritt geht und klare Vorgaben macht. Zwar hätten wir uns ge- wünscht, dass sich vieles auch ohne entsprechende gesetzliche Vorgaben verändert – aber wir sehen seit Lan- gem, dass es nicht richtig vorangeht. So wie es ist, darf es nicht bleiben. Leider zielt das Gesetz nur auf die Körperschaften der Sozialversicherung ab. Nötig wäre es, alle Organisationen des Gesundheitswesens zu adressie- ren, also die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, deren Spitzenorganisationen, die Krankenhausgesellschaften und den Gemeinsamen Bundesausschuss, sowie alle Organisationen, die im Be- reich Gesundheitswesen und Pflege versorgungspolitische Aufgaben über- nehmen. Außerdem könnte es in der Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu vorzeitigen Vertrags- verlängerungen kommen. Das würde bedeuten, dass sich in den nächsten circa sechs bis sieben Jahren wenig ändert. Sie sagen: „Quoten diskriminieren nicht, sondern sie ermöglichen Chancengleichheit.“ Viele Frauen distanzieren sich aber von diesem Instrument, weil sie ausschließlich wegen ihrer Qualifikation ins Amt gelangen wollen, statt als Quoten- frau abgestempelt zu werden. Was antworten Sie ihnen? Wir sehen, dass wir in vielen Bereichen durch den Einfluss von Geschlechter- stereotypen auf Personalentscheidun- gen eine implizite Männerquote ha- ben. Es gibt viele kompetente Frauen, die wollen und können. Trotzdem schaffen es vor allem Männer nach oben. Das liegt am sogenannten Thomas-Kreislauf: Männer wählen gerne ihresgleichen aus und machen sie auch zu Nachfolgern. Da haben es Frauen schwer, auch wenn ihre Vita noch so gut ist und sie mehr als qualifiziert sind. Wir werden also eine gewisse Zeit lang eine Frauenquote benötigen – so lange, bis genügend Frauen in den Führungsetagen sind und es ganz selbstverständlich wird, dass Männer und Frauen gleicherma- ßen Top-Positionen besetzen können. Laut Studien führt nämlich allein die Ankündigung einer Quotenregelung schon dazu, dass mehr Frauen bereit sind, sich Aufgaben zu stellen, die zuvor gemieden wurden, weil diese als typisch männlich erlebt wurden. Mittlerweile haben das auch viele Frauen, die die Quote zunächst nicht favorisierten, gesehen. Außerdem ist es kein Makel, über eine Quote in ein Amt gekommen zu sein: Wir sind fest davon überzeugt, dass auch diese Frauen einen guten Job machen werden. Genügend hervorragende Frauen gibt es jedenfalls im Gesund- heitswesen – wie wir zum Beispiel an den Mitgliedern des Vereins Spitzen- frauen Gesundheit sehen. Wir brau- chen diese wichtigen Vorbilder und wir brauchen viele davon. Mit Rücksicht auf „die besondere Stellung der Freien Berufe“ sieht der Gesetzesentwurf von Regelungen zur Beteiligung von Frauen in den Selbstverwaltungs- körperschaften ab. Was hat sich die Politik dabei gedacht und wie stehen Sie dazu? DIE SPITZENFRAUEN GESUNDHEIT Die Spitzenfrauen Gesundheit – 2018 durch eine spontane Initiative entstanden – gründeten im Juni 2020 ihren eigenen Verein: Zu den geschäftsführenden Co- Vorständinnen wurden Antje Kapinsky (Techniker Krankenkasse) und Cornelia Wanke (Akkreditierte Labore in der Medizin – ALM e. V.) und Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Gründerin des Forums Hausärztinnen, gewählt. Weitere Vorstandsmitglieder sind Nadiya Romanova (vdek), Prof. Dr. Anke Lesinski- Schiedat (Landesvorsitzende des Hart- mannbundes Niedersachsen und Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand) sowie Dr. Christiane Groß (Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes) und Dr. Christina Tophoven (Geschäftsführerin der Bundespsychotherapeutenkammer). Gründungsmitglieder sind außerdem Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestags Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen), Stephanie Schlitt (wissen- schaftliche Mitarbeiterin im Büro von Kappert-Gonther) sowie Ulrike Hauffe (stellvertretende Vorsitzende des Verwal- tungsrats der BARMER und Landesfrauen- beauftragte Bremen a. D.). Antje Kapinsky und Cornelia Wanke sind Co- Vorsitzende bei den Spitzenfrauen Gesundheit. Fotos: ALM/axentis 22 | POLITIK
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