Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (282) DER BESONDERE FALL MIT CME Zufallsbefund HIV-Infektion: Was Zahnärzte wissen sollten Diana Heimes, Peer W. Kämmerer Etwa 86.000 Menschen in Deutschland sind mit dem HI-Virus infiziert. Meist wird die Infektion erst spät erkannt, manchmal in der Zahnarztpraxis. Viele Patienten erhalten allerdings keine adäquate zahnärztliche Therapie, ergo gilt es die zahnärztliche Behandlungsroutine zu optimieren – durch ein besseres Verständnis des Krankheitsbildes und mehr Aufklärung über das Ansteckungsrisiko. Der Fallbericht schildert die Erstdiagnose einer HIV-Infektion im Spätstadium bei Vorliegen fortgeschrittener dentaler Krankheitssymptome. D ie Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) gehört auch heutzutage mit einer Neuinfektionsrate von 6,5 auf 100.000 Einwohner pro Jahr in Europa und einer vermutlich nicht zu unterschätzenden Dunkelziffer zu den führenden Gesundheitsproble- men der Gesellschaft. Die Erkrankung tritt insbesondere in Hochprävalenzregionen wie in Teilen Afrikas, der Karibik und Südostasien auf, in denen definitionsgemäß über ein Prozent der erwachsenen Bevöl- kerung durch die Infektion betroffen sind. In Deutschland zählen Groß- städte wie Berlin, Frankfurt am Main, München, Köln, Düsseldorf und Hamburg zu den Hotspots des In- fektionsgeschehens. Die Übertragung erfolgt in Europa in 40 Prozent der Fälle durch homosexuelle Kontakte zwischen Männern, wobei in über der Hälfte der Fälle der Transmissionsweg unbekannt ist. 33 Prozent der Infek- tionen erfolgen durch heterosexuelle Kontakte, vier Prozent über die intra- venöse Applikation mit infiziertem Spritzenmaterial und nur etwa ein Prozent vertikal [RKI, 2018; WHO, 2019]. Das durchschnittliche Alter der Patienten liegt bei Erstdiagnose bei 37 Jahren mit einer tendenziell zunehmenden Zahl älterer Patienten (20 Prozent > 50 Jahre). 53 Prozent der Neudiagnosen erfolgen erst in späten Stadien der Erkrankung mit einer durchschnittlichen CD4-Zell- zahl von < 350 Zellen/mm 3 [WHO, 2019]. ÜBERTRAGUNGSWEGE Das Virus wird über infektiöse Kör- perflüssigkeiten wie Blut, Sperma und Vaginalsekret, jedoch nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit, per Tröpf- cheninfektion, Nahrung, Trinkwasser oder Insektenstiche übertragen. Eine hohe Viruslast des Patienten bedingt auch eine höhere Infektiosität, wobei eine Läsion der perzeptiven Schleim- haut keine Voraussetzung für eine Übertragung des Virus, sondern ledig- lich einen begünstigenden Faktor darstellt. Eine Ansteckung im Alltag beispielsweise über die gemeinsame Nutzung sanitärer Anlagen ist über- aus unwahrscheinlich [RKI, 2018]. HI-Viren sind lymphotrope Lenti- viren aus der Familie der Retroviren. Sie befallen lymphozytäre Zellen und bilden während der gesamten Zeit durch Integration der Virus-DNA in die humane DNA neue Viren [RKI, 2018]. ERKRANKUNGSSTADIEN Die durch HIV ausgelösten Erkran- kungen werden in drei Stadien aufge- teilt. In Stadium A kommt es auf- grund der nur kurz zurückliegenden Infektion in 30 Prozent der Fälle zu akuten Krankheitssymptomen wie Fieber, Lymphknotenschwellung und Angina. Auf diese Phase der akuten grippalen Symptomatik folgt eine asymptomatische Latenzphase, in der sich die Viren im Wirtskörper ver- mehren. In 40 Prozent der Fälle kann eine generalisierte Lymphadeno- pathie über drei Monate lang persis- tieren [Herold, 2016]. In Stadium B kommt es zu einem Progress der Erkrankung mit einem starken Anstieg der Viruslast und einem Abfall der T-Helferzellzahl. Zu den nicht AIDS-definierenden oppor- tunistischen Infektionen gehören die orale Candidose ebenso wie Herpes Zoster in mehreren Dermatomen, die orale Haarleukoplakie und Malignome (Hodgkin-Lymphom, invasives Anal- karzinom), aber auch persistierende Symptome wie subfebrile Temperatu- ren und chronische Diarrhö. Stadium C wird durch Erkrankungen und opportunistische Infektionen definiert, die typischerweise nur im Endstadium der Erkrankung vor- kommen. Zu den AIDS-definierenden CME AUF ZM-ONLINE Zufallsbefund HIV-Infektion Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME- Punkte der BZÄK/ DGZMK. 52 | ZAHNMEDIZIN

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