Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (283) Erkrankungen zählen das Wasting- Syndrom (ungewollter Gewichts- verlust von mehr als zehn Prozent des Körpergewichts, chronische Diarrhö, Fieber und Abgeschlagen- heit) und – wie in 80 Prozent der Fälle bei Erstmanifestation vorliegend – opportunistische Infektionen, wie die zerebrale Toxoplasmose, die Pneumo- cystis-jiroveci-Pneumonie und die Candidose des Ösophagus und der Lunge. Typische, unter AIDS auftre- tende Malignome sind das Kaposi- Sarkom und einige Non-Hodgkin- Lymphome [Herold, 2016]. In 15 Pro- zent der Fälle führt das Vorliegen einer solchen Neoplasie zur Erst- diagnose einer HIV-Infektion [RKI, 2018]. ORALE MANIFESTATIONEN Während der frühen Phase der Erkran- kung kann sich die HIV-Infektion durch orale Läsionen manifestieren. Die häufigsten Manifestationsformen sind die orale Candidose und die orale Haarleukoplakie. Es gibt jedoch ins- gesamt sieben orale Kardinalläsionen. Hierzu zählen das Kaposi-Sarkom, das Lineare Gingivaerythem, die nekroti- sierende, ulzerierende Gingivitis und Parodontitis sowie – wie im vor- liegenden Fall – B-Zell-Lymphome [Lorosa et al., 2019]. Gingivitis Die nekrotisierende, ulzerierende Gingivitis (NUG) manifestiert sich rasch mit interdentalen gingivalen Nekrosen, lokalen Schmerzen, Blu- tungen, bis hin zu systemischen Symptomen wie einer Lymphadeno- pathie [Malek et al., 2017]. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen Stress, Malnutrition, Tabakrauchen, Alkoholkonsum, Diabetes mellitus und insbesondere eine Dysfunktion des Immunsystems [Malek et al., 2017]. Es gibt Hinweise darauf, dass die NUG eines der ersten Anzeichen für eine HIV-Infektion sein könnte, jedoch sind die oralen Kardinal- läsionen schwer zu diagnostizieren und führen aufgrund der niedrigen Prävalenz HIV-Kranker gegenüber der nicht infizierten Bevölkerung zu zahl- reichen falsch-positiven Befunden [Reichart, 2003]. Parodontitis Gegenüber der NUG, die sich streng auf die marginale Gingiva begrenzt, ist die nekrotisierende, ulzerierende Parodontitis abzugrenzen, die sich über die Papille und die marginale Gingiva hinaus erstreckt und zu einem Verlust des gingivalen Attach- ments und zu freiliegendem Knochen führt. Nicht selten werden diese Er- krankungsformen auch als ineinander DIANA HEIMES Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie – plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat Foto: Kämmerer Abb. 1: Klinischer Befund bei Erstvorstellung: Es zeigt sich distal des Zahnes 37 eine mit Fibrin belegte Ulzeration, die marginal bis an Zahn 36 heranreicht. Nach lingual stellt sich der Befund eher granulomatös dar. ZAHNMEDIZIN | 53

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