Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (285) übergehende Stadien der Krankheit aufgefasst, deren Endstadium die nekrotisierende Stomatitis darstellt. Diese erstreckt sich über das Parodont hinaus auf die Mukosa und den Knochen und führt typischerweise zu starken Schmerzen [Reichart, 2003]. Lineares Gingivaerythem Ein weiteres orales Symptom ist das Lineare Gingivaerythem (LGE). Dieses zeigt diffuse und punktuelle Erytheme der marginalen Gingiva mit spontanen Blutungen [Reichart, 2003]. Vermutungen legen nahe, dass es sich bei den genannten Entitäten um prinzipiell die gleichen Erkran- kungen handelt, wie sie auch bei nicht-infizierten Personen auftreten, wobei der Infektion mit dem HI-Virus eine initialisierende und progressions- fördernde Wirkung zugesprochen wird [Reichart, 2003]. Kaposi-Sarkom Zu den typischen oralen Neoplasien unter HIV-Infektion zählt das Kaposi- Sarkom. Es entsteht durch die maligne Transformation lymphatischer endo- thelialer Zellen nach Infektion mit dem Humanen Herpes Virus 8 – ins- besondere unter Immunsuppression. Diese Entität wird entsprechend der Ursache und des Symptombildes in vier Gruppen eingeteilt. Das epide- mische oder auch AIDS-assoziierte Kaposi-Sarkom ist das häufigste AIDS- assoziierte Malignom in Deutschland und den USA. Die Erstmanifestation geschieht meist in Form zahlreicher Makulae in den Hautspaltlinien der betroffenen Personen. An den distalen Extremitäten entstehen indurierte, rötlich-braune bis violette Makulae, die später flächig konfluieren und schmerzhafte Knoten bilden. Durch die Ummauerung von Lymphbahnen kann es zu Ödemen kommen; befal- lene Organe sind die Lymphknoten, der Gastrointestinaltrakt, die Leber und die Lunge ebenso wie Niere und Milz [DGHO, 2018]. In 80 Prozent der Fälle kommt es zu einem oralen Befall – meist im Bereich des Gau- mens, der befestigten Gingiva oder des Zungenrückens. Das Vorkommen mukosaler Läsionen wird signifikant mit einer geringeren Anzahl CD4+- Lymphozyten assoziiert [Reichart, 2003]. Bei einem vorher nicht thera- pierten Patienten kann durch eine gezielte antiretrovirale Therapie ein Progressionsstillstand oder sogar das Verschwinden der Erkrankung er- reicht werden [Reichart, 2003; DGHO, 2018]. Non-Hodgkin-Lymphom Neben dem Kaposi-Sarkom sind aggressive B-Zell-Non-Hodgkin-Lym- phome (NHL) die zweithäufigste HIV- assoziierte Neoplasie und führen die Liste der AIDS-assoziierten Todes- ursachen an. Das Risiko zur Entwick- lung eines HIV-NHL nimmt mit fal- lender CD4-Zellzahl zu und lag vor Einführung der antiretroviralen The- rapie (ART) bei einer gegenüber der Normalbevölkerung 60- bis 200- fachen Inzidenzrate [Onkopedia, 2019]. Als hierfür ursächlich erachtet werden eine chronische Antigen- stimulation und die Zytokin-Dysre- gulation unter HIV-Erkrankung eben- so wie die Koinfektion mit onkoge- nen Viren. Zu den häufigsten HIV- NHL zählen das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom, Burkitt-Lymphome und Hodgkin-Lymphome. Das grund- sätzliche Therapieziel ist kurativ, wo- bei im Fall HIV-NHL simultan zur Chemotherapie eine ART verabreicht wird. Hierbei ist zu beachten, dass dies zu einer deutlichen Steigerung der Chemotherapie-assoziierten Toxi- zität führt [Onkopedia, 2019]. Plasmoblastische Lymphome sind eine seltene Lymphomentität, weisen weder B- noch T-Zellmarker auf und entwickeln sich häufig im Bereich der Mundhöhle. Sie machen etwa 2,6 Prozent aller AIDS-assoziierten Lym- phome aus und treten gehäuft um das 39. Lebensjahr auf [Castillo und Reagan, 2011]. Der Tumor besteht aus plasmazystischen Zellen mit runder oder ovaler Form, die von kleinen, reifen Lymphozyten umgeben sind. Typische Prädilektionsstellen sind die Mundhöhle, gefolgt von dem Gastro- intestinaltrakt, den Lymphknoten und der Haut. 60 Prozent der Patien- ten werden erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien erstdiagnostiziert. Die Responserate auf eine Chemothe- rapie wird mit 77 Prozent angegeben, Foto: MKG, Universitätsklinikum Mainz Abb. 3: Computertomografie des Patienten: A zeigt die vorwiegend hypodense Gewebeinhomogenität, die von Regio 38 nach cranial bis zu Regio 28 auszulaufen scheint (Umrandung und Pfeil). Um den Befund befinden sich außerdem zahlreiche Lufteinschlüsse. B und C zeigen beidseits multiple vergrößerte Lymphknoten mit bis zu 23,6 mm Durchmesser. ZAHNMEDIZIN | 55

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