Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (288) DIE ZM-KOLUMNE RUND UM DIE RELEVANTEN PRAXISFRAGEN Sprechen Sie die Sprache(n) der Wertschätzung! (Teil 1) D iese Situation ist auch mir bekannt und stellt keine Seltenheit dar. Dabei muss einem bewusst sein, dass der Begriff „Wertschätzung“ oftmals falsch und inflationär verwendet wird. Allgemeinverständlich wird Wertschätzung oft mit Lob und der Anerkennung von Leistung(-en) gleichgesetzt. Allerdings ist das so nicht korrekt. Wertschätzung ist viel mehr – es ist eine Herzens- und Geisteshaltung, die immer auch den Menschen sieht und nicht nur dessen Leistung(-en). Das Thema „Wertschätzung“ ist schwierig – meines Erach- tens gibt es hier keinen idealen Weg, vielmehr eine Reihe von Lösungsansätzen, da die eigene innere Einstellung maßgeblich beteiligt ist. Dabei ist die (auf-)richtige Wert- schätzung der größte Schatz, den man aber nicht so leicht heben kann. Manche Praxen unternehmen spannende, großartige und eventuell teure Ausflüge; Feierlichkeiten finden in erst- klassigen Restaurants statt; die Bezahlung liegt über dem Tarif und es wird Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt. Dies alles sind Möglichkeiten, Wertschätzung zum Aus- druck zu bringen. Stimmt allerdings die eigene innere Einstellung und Haltung damit nicht überein, wirkt es schnell unecht und fingiert. Echte Wertschätzung zeigt sich nicht in den aufgeführten Beispielen, sondern im Alltag. Oftmals habe ich Kenntnis davon erhalten, dass Praxisinhaberinnen und -inhaber ihrem Team wenig zutrauen – schlimmstenfalls herab- lassend über sie sprechen. Auch Zurechtweisungen oder gar Anschreien vor Patienten ist vielerorts gang und gäbe. Werden Mitarbeiterinnen gegenüber Patienten und Dritten als „Mädels“ bezeichnet, suggeriert man durch die Wortwahl Unmündigkeit und es wird dem Zuhörer ver- mittelt, dass das Personal auf Hilfe von Erwachsenen an- gewiesen ist. Wer seine Praxis in diesem Sinne führt, kann kostspieligste Unternehmungen, exklusive Weihnachts- essen und sehr großzügige Gehaltszahlungen nicht als Wert- schätzung betrachten – bestenfalls als Schmerzensgeld. VERSUCHEN SIE EINEN PERSPEKTIVWECHSEL Versuchen Sie einen Perspektivwechsel und sehen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mal mit deren Augen: \ Wird die wortkarge und vielleicht zudem rhetorisch weniger begabte Mitarbeiterin unterschätzt? Welche Stärken bringt sie mit? Genau diese Mitarbeiterin ist vielleicht besonders emphatisch, gewissenhaft und geschickt. \ Aus welchem Grund kommt meine alleinerziehende Mitarbeiterin immer abgehetzt und auf den letzten Drücker in die Praxis? Ja, sie kommt in der letzten Sekunde. Aber welchen Aufwand hat sie betrieben und welchem Stress ist sie täglich ausgesetzt, um pünktlich zu sein und hier ihr Bestes zu geben? Hallo Herr Henrici, in Mitarbeitergesprächen bemängelten einige meiner Angestellten, dass ihnen die Wertschätzung für ihre Person und ihre Arbeit von meiner Seite fehle. Zwei haben sogar gekündigt – deswegen. Ich lobe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig und alle erhalten Sommer- und Weihnachtsgeld. Was kann ich als Praxisinhaberin noch tun, um meinem Personal gerecht zu werden? Erwartungsvoll, Zahnärztin Dr. S. Foto: AdobeStock_Bell_bear 58 | PRAXIS

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