Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (307) Großbritannien immer wichtiger ge- worden. Grund dafür ist nicht zu- letzt, dass die staatliche Versorgung seit vielen Jahren von wechselnden Regierungen finanziell bewusst kurz gehalten wird. Privatpraxen profitie- ren; viele Patienten sehen oftmals keine Alternative, als sich privat be- handeln zu lassen. Und auch in der privaten Zahnmedizin in Großbritan- nien gilt: Ohne EU-Zahnärztinnen und -Zahnärzte und -Praxispersonal würde es große Versorgungslücken geben. Eile ist also geboten, um eine auch langfristig tragfähige und praktikable Einigung mit Brüssel zu finden. Was nach 2022 mit der Anerkennung beruflicher Qualifikationen wie mit Arbeitserlaubnissen und Zulassungen geschieht – niemand weiß es momen- tan. „Das sorgt mich schon sehr“, so Wilson. Spricht man „off the record“, also vertraulich, mit Vertretern der zahn- ärztlichen Selbstverwaltung im König- reich, wird schnell klar: Niemand erwartet, dass sich die Situation für EU-Zahnärzte im Königreich als Folge des Brexit langfristig bessern wird. Im Gegenteil – Zulassungen dürften schwieriger, komplizierter und auf- wendiger werden. OFF THE RECORD SIEHT MAN DEN BREXIT KRITISCH Der BDA bezieht in Sachen Brexit of- fiziell zwar eine neutrale Position – weder pro noch contra EU-Austritt. „Unsere Aufgabe ist es, unsere Mit- glieder nach besten Kräften zu unter- stützen, um mit den Folgen des Brexit klar zu kommen“, heißt es bei der BDA in London. Allerdings wird in privaten Gesprächen mit britischen Zahnärzten oft schnell deutlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen den EU-Austritt nach 47 Jahren eher kritisch sehen – sowohl was die eigene Praxis angeht als auch was Forschung, Wissenschaft und Ausbildung anbelangt. Für Zahnmedizinstudierende aus der EU, die nach dem Brexit weiter in Großbritannien studieren möchten, begann zur Jahreswende eine Zeit neuer Ungewissheit. Wie wird der EU-Austritt das Studium in Zukunft tangieren? Was wird sich ändern? – Spricht man mit Studenten und Aus- bildern wird schnell klar, dass auch hier die Unsicherheiten angesichts einer ungewissen Zukunft groß sind. FÜR STUDENTEN WIRD ES NICHT LEICHTER ODER BESSER Viel wird davon abhängen, wie die fortlaufenden Gespräche und Ver- handlungen zwischen Großbritannien und seinen europäischen Partnern laufen werden. Klar ist bislang nur, dass die Situation für Studierende nach dem Brexit „bestimmt nicht leichter oder besser“ werden dürfte, heißt es bei Berufsorganisationen und Lobbygruppen. „Wir warten auf eine Klarstellung seitens der euro- päischen Universitäten, wie zum Bei- spiel das Studium britischer Studen- ten an EU-Universitäten in Zukunft aussehen wird“, ist bei der BDA in London zu hören. Ähnlich dürfte es sich für deutsche und andere europäische Studenten verhalten, die im Königreich jetzt oder zukünftig studieren wollen. Gespräche laufen – Ausgang ungewiss. Klar ist, dass man auf beiden Seiten hofft, dass der Studien- und Aus- bildungsbetrieb in der Zahnmedizin trotz Brexit möglichst weiter un- gehindert laufen kann. Vorsichtiger Optimismus überwiegt, zumal in Großbritannien auf die teils seit vie- len Jahrzehnten bestehenden guten Beziehungen zwischen britischen und europäischen Universitäten hin- gewiesen wird. Studierende sind gut beraten, die Entwicklungen der kom- menden Wochen und Monate genau zu beobachten. DIE KOOPERATIONEN SOLLEN WEITER BLÜHEN Für Forschung und Lehre gilt, dass das Königreich nach dem EU-Austritt weiter mit der EU, deren Institutionen und Forschungs- und Ausbildungs- stätten zu kooperieren wünscht. Zitat: „Es liegt im Interesse sowohl der EU als auch Großbritanniens, dass die bestehenden Netzwerke und Kooperationen weiter bestehen und weiter blühen. Wir werden aktiv daran arbeiten, bestehende Kooperationen zu pflegen und aus- zubauen und wir streben freund- schaftliche Beziehungen zu unseren EU-Partnern an.“ Und weiter heißt es im Brexit-Papier: „Wir stehen bereits in Verhandlungen mit der EU, um ein neues Kapitel im europäischen Forschungs- und Wissenschaftsprogramm mit Start 2021 aufzuschlagen.“ Ausdrücklich erwähnt wird in dem Papier das Interesse der Briten, weiterhin an EU- Programmen wie „Euratom“ und „Horizon Europe“ zu partizipieren. Viele dieser Kooperationen zwischen britischen und europäischen Univer- sitäten und Instituten bestehen seit Jahrzehnten – zum Vorteil aller. \ ARNDT STRIEGLER Freier Journalist, London kurtstriegler@gmail.com DIE BZÄK INFORMIERT Brexit – Ende der automatischen Anerkennung von Berufsabschlüssen Mit Inkrafttreten des Partnerschafts- abkommens zwischen der Euro- päischen Union und dem Vereinigten Königreich ab dem 1. Januar 2021 wurde die automatische Anerkennung von Berufsabschlüssen, damit auch von zahnmedizinischen Abschlüssen, aufgehoben. Es gilt ein Bestandsschutz für alle vor dem Stichtag eingereichten Anträge. Alle neuen Anträge auf Anerkennung hingegen unterliegen dem Verfahren für Drittstaaten, sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU. Dies bedeutet einen erhöhten zeitlichen wie bürokratischen Aufwand für neue Antragsstellungen. Bundeszahnärztekammer POLITIK | 77

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