Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm 111, Nr. 4, 16.2.2021, (310) entsprechenden Medikamente in circa sechs Monaten geplant. Trotz der suffizienten oralen Ernährung kam es bis zur Therapieeinleitung zu einem weiteren Gewichtsverlust von 7 kg und zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustands, weswegen die weitere internistische Abklärung unter stationären Bedingungen stattfand. Neben der umfassenden körperlichen Untersuchung, Blutuntersuchung und Sammelurin, erfolgten eine Compu- tertomografie vom Thorax/Abdomen und ein MRT Kopf/Hals. Außer dem Nachweis von c-ANCA (Anti-Neutro- phile z(c)ytoplasmatische Antikörper) 1:320 (Norm 1:<10) und Proteinase 3 (PR3)-AK 58.0 (Norm < 2) sowie eines 5 mm messenden soliden Rundherds im apikalen Lungenoberlappen rechts ergaben sich dabei keine neuen pathologischen Befunde. Die Nieren- funktion war stets unbeeinträchtigt. Der Rundherd wurde als Manifesta- tion der Systemerkrankung gewertet. Die Diagnose lautete: PR3-ANCA- assoziierte Granulomatose mit Poly- angitis (früher M. Wegener). In der Klinik für internistische Rheumatologie wurden wöchentliche Infusionen mit Rituximab 700 mg (himärer monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD20 der B-Lymphozyten), Prednisolon 10 mg p.o. 1–0–1 sowie Dekristol 20.000 I.E. wöchentlich verordnet. Nach vier Monaten konnten die in- ternistische Therapie unter Remission bei einer deutlichen Besserung des Allgemeinzustands ausgeschlichen und der operative Defektverschluss geplant werden. Die zweischichtige Palatoplastik führten wir in oraler Intubationsnarkose unter stationären Bedingungen durch (Abbildungen 5–7). Am dritten postoperativen Tag wurde der Patient mit stadiengerechter Wund- situation in die ambulante Nachsorge entlassen. Es wurde flüssig-breiige Kost für zwei Wochen empfohlen, sowie ein striktes Schnäuz- und Nikotinverbot für drei Wochen ausgesprochen. Die intraoralen Fäden wurden am 14. post- operativen Tag entfernt. DISKUSSION Granulomatose mit Vaskulitis (M. Wegener) ist eine klar abgrenzbare klinisch-pathologische Entität, die durch nekrotisierende Vaskultis der vorwiegend kleinen und mittelgroßen Arterien und Venen mit ulzerieren- den, nicht verkäsenden Granulomen des unteren und des oberen Respira- tionstrakts (Nase, NNH, Mittelohr, Oropharynx, Lunge) in Verbindung mit Nierenbefall (Glomerulonephritis) gekennzeichnet ist. Die relativ seltene Krankheit hat eine Prävalenz von 5:100.000, wobei die weiße Bevölke- rung bei gleicher Geschlechtsvertei- lung deutlich häufiger betroffen zu sein scheint. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten, wobei nur 15 Prozent der Betroffenen unter 19 Jah- ren und Kinder ganz selten betroffen sind. Das mittlere Manifestationsalter liegt in der vierten Lebensdekade. Beschwerden auf dem HNO-Gebiet (therapieresistente Entzündung der Nasennebenhöhlen, eitrig blutige Nasensekretion oder Schleimhaut- ulzerationen) kündigen mit bis zu 70 Prozent den Krankheitsbeginn an. Die fortschreitende Destruktion des Nasenseptums kann bis zur Sattel- nasendeformität führen. Zweithäufig treten Lungenbeschwerden wie Hus- ten, Dyspnoe, Hämoptysen und tho- rokales Unbehagen auf. Die fort- schreitende Lungenbeteiligung kann zu Bronchialstenose und Atelektasen- bildung führen. In Zusammenschau mit der B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtverlust) kann differenzialdiagnostisch schnell ein Lungenmalignom infrage kommen. Im Krankheitsverlauf kommen sowohl unspezifische Gelenkschmerzen, Haut- läsionen (Papeln, Bläschen, palpable Purpura, Ulzera, subkutane Knötchen) und Augenbeteiligung (Konjunktivitis, Dakryozystitis, Vaskulitis der Ziliar- gefäße, Bulbusprotrusion durch intra- orbitale Raumforderung) als auch die sehr häufige Nierenbeteiligung hin- zu. Im Endeffekt hat die rasch fort- schreitende renale Symptomatik un- behandelt die hohen Mortalitätsraten durch Nierenversagen zur Folge. Laborchemische Untersuchungen zei- gen außer der stark beschleunigten Foto: Evgeny Goloborodko Abb. 5: Gespiegelte Sicht auf die Perforation im Gaumen Foto: Evgeny Goloborodko Abb. 6: Intraoperativ: Blaue Pfeile: präpariertes nasales Blatt rechts und links; Blaue Linien: palatinale Entlastungs- schnitte zum Bilden des oralen Blattes DR. MED. KATHARINA LINDEMANN-DOCTER Klinik für Pathologie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: privat PROF. DR. DR. ALI MODABBER Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinik RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: privat 80 | ZAHNMEDIZIN

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