Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5

zm 111, Nr. 5, 1.3.2021, (350) DER BESONDERE FALL MIT CME Mundbodenabszess ohne dentogenen Fokus – die ungeklärte Ätiologie Diana Heimes, Peer W. Kämmerer Odontogene Abszesse kommen in Zahnarztpraxen häufig vor. Dabei reichen die Krankheitsverläufe von einfachen Infiltraten über lokale Infektionen mit und ohne Ausbreitung in die umgebenden Weichgewebe. Breiten sie sich weiter aus, drohen schwerwiegende Verläufe und systemische Komplikationen. Der niedergelassene Zahnarzt hat deshalb als Erstbehandler bei der Erkennung und Differenzierung von Warnsymptomen eine besonders wichtige Rolle. E ine 26-jährige Frau stellte sich mit einer ausgepräg- ten submentalen Schwellung in der Klinik und Poli- klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Die Patientin berichtete über eine Progredienz der Erkrankung über eine Woche. Ursprünglich sei sie unter der Verdachtsdiagnose einer Sialadenitis der linken Glandula submandibularis anti- biotisch therapiert worden, woraufhin sich jedoch keine Besserung gezeigt habe. Klinisch war eine deutliche, etwas linksbetonte Schwellung von submental bis zur Klavikula reichend zu beobachten (Abbildung 1). Zum Vorstellungszeitpunkt beklagte die Patienten Schmerzen, Schluck- und beginnende Atem- beschwerden. In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein konservierend versorgtes, vollständiges Gebiss. Keiner der Zähne war gelockert, perkussionsempfindlich oder avital. Neben dem fehlenden Zahnfokus war außerdem weder ein Speichelsee noch eine von enoral sichtbare Mundbodenschwellung auszumachen. Die Ausführungs- gänge sämtlicher Speicheldrüsen zeigten sich unauffällig und förderten klares Sekret; eine Okklusionssymptomatik wurde verneint. Außer einer Neurodermitis war die Allge- meinanamnese der Patientin leer. In der Labordiagnostik zeigte sich ein deutlicher Anstieg der Entzündungsparameter oberhalb des Normwerts mit einem CRP-Wert von 119 mg/l (Norm: < 5 mg/l) und Leukozytenzahlen von 14,8/nl (Norm: 3,5–10/nl). Da die Ursache der starken Schwellung ungeklärt war, wurde eine Computertomografie des Kopf-Hals-Bereichs durchgeführt. Diese zeigte links paramedian eine ent- zündliche Formation von 2,5 cm x 3 cm, die an den muskulären Mundboden heranreichte. In der Umgebung waren vergrößerte zervikale Lymphknoten darstellbar. Eine entzündliche Mitbeteiligung des perilaryngealen Weichgewebes sowie der supraglottischen Larynx-Wand war zu beobachten (Abbildung 2). Aufgrund der massiven klinischen Symptomatik und der radiologisch abgrenzbaren entzündlichen Formation wurde die Indikation zur operativen Eröffnung des sub- mentalen Abszesses in Intubationsnarkose gestellt. Nach Einzeichnen der relevanten Grenzen wurde eine Inzision zwei Querfinger submental gewählt. Das Gewebe wurde stumpf bis direkt kaudal des Musculus mylohyoideus prä- pariert, woraufhin sich rahmiger Eiter aus der Abszess- höhle entleerte (Abbildung 3). Wegen der ungeklärten Abszessursache wurden ein Abstrich des Sekrets und Gewebeproben zur weiteren Analyse an das mikrobiologische und pathologische Institut versandt. Unter Einlage von Röhrchen zur Sicherung des Eiter- abflusses wurde die Operation beendet. Die eingesende- ten Materialien zeigten das Vorhandensein zahlreicher Granulozyten ebenso wie des Bakteriums Staphylokokkus aureus innerhalb einer insgesamt hoch aktiven, florid-gra- nulierenden Entzündung, jedoch keine weitergehenden Befunde inklusive fehlendem Hinweis auf Malignität. Unter Fortführung der antibiotischen Therapie mit Amoxi- cillin/Clavulansäure zeigten sich die laborchemischen und klinischen Infektparameter deutlich rückläufig. Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich regelrecht, so dass die eingelegten Drainageröhrchen nach drei Tagen entfernt und die Patientin in die ambulante Weiterbetreu- ung entlassen werden konnte. DISKUSSION Abszesse werden als Weichgewebsinfektion mit Eiter- ansammlung in einem durch Gewebszerfall entstandenen Hohlraum definiert [Gujer et al., 2013]. Die Prävalenz odontogener Infektionen liegt zwischen zwei und elf Pro- CME AUF ZM-ONLINE Mundbodenabszess ohne dentogenen Fokus Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. 16 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=