Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5
zm 111, Nr. 5, 1.3.2021, (351) zent und ist in niedergelassenen Zahnarztpraxen höher als in Kliniken. Auch werden deutliche regionale Unter- schiede beschrieben [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Typischerweise treten odontogene Infektionen zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr auf; Männer scheinen etwas häufiger betroffen zu sein als Frauen. Meist gehen Infektionen von den ersten oder den dritten Molaren aus, wobei die Zähne des Unterkiefers viel häufi- ger Ursache des Krankheitsbildes sind als die des Ober- kiefers. In den meisten Fällen handelt es sich um ein lokal begrenztes Geschehen, das ambulant therapiert werden kann. Komplikationen hingegen sollten stationär behan- delt werden [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Es wird zwischen Infiltraten, lokalen odontogenen Infek- tionen ohne Ausbreitungstendenz – wie der apikalen Paro- dontitis oder einem submukösen Abszess – und lokalen odontogenen Infektionen mit Ausbreitungstendenz – wie Logenabszessen – unterschieden. Logenabszesse können sub-/para-/perimandibulär, submental, bukkal, temporal oder parapharyngeal lokalisiert sein. Im Fall einer weiteren Ausbreitung sind systemische Komplikationen möglich, etwa eine Osteomyelitis, eine Sinusitits, eine Orbita- phlegmone, ein Hirnabszess bis hin zur Sepsis, eine Endokarditis, eine Mediastinitis oder eine nekrotisierende Fasziitis [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Ursachen odontogener Infektionen können eine Karies profunda, eine Pulpitis, eine apikale Parodontitis, eine Periimplantitis, verlagerte und retinierte Zähne oder infiziertes Augmentationsmaterial sein [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Eine Studie an Patienten mit einem tiefen Halsabszess untersuchte die Ursachen und Umstände eines solchen Geschehens. In der untersuchten Kohorte war die Tonsil- litis die häufigste Ursache eines Abszesses der Kopf-Hals- Region. Odontogene Ursachen folgten auf Platz zwei, während in circa 15 Prozent der Fälle die Ursache des Abszesses ungeklärt blieb. Andere Autoren berichten über ungeklärte Abszessursachen in bis zu 50 Prozent der Fälle. Zu den am häufigsten betroffenen Bereichen zählen in dieser Studie die Ausbreitung über multiple Regionen, ge- folgt von einem peritonsillären oder – wie im vorliegen- den Fall – submandibulären Abszessgeschehen [Brito, 2017]. Demgegenüber wird der perimandibuläre Abszess von anderen Autoren als der häufigste Logenabszess des Kopf-Hals-Bereichs angesehen. Dieser entsteht in über 90 Prozent der Fälle durch eine Infektion der Unterkiefer- Molaren. Direkt darauf folgt der submandibuläre Abszess, der anterior durch den M. digastricus und kranial durch die Unterkieferbasis abgegrenzt wird und in zwei Dritteln der Fälle von den Unterkiefer-Molaren ausgeht. Meist entsteht eine Infektion vor Extraktion der Zähne. Hier besteht das Risiko einer Ausbreitung nach sublingual mit Anhebung des Mundbodens oder nach parapharyn- geal mit Vorwölbung des Gaumenbogens. Mundboden- abszesse entstehen meist odontogen, können aber auch nicht-odontogen durch Verletzungen, Tumore, Zysten und Speichelsteine entstehen [Gujer et al., 2013]. Das bakterielle Spektrum der odontogenen Infektion ent- spricht in aller Regel der Bakterienbesiedlung der Mund- höhle. Die am häufigsten nachgewiesenen Bakterien- spezies sind Streptokokkus viridans, Staphylokokkus aureus, Neisseria species und Klebsiella species. Aufgrund der vorhandenen Mischflora werden Antibiotika ein- gesetzt, die auch Anaerobier erfassen [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Klinisch zeigt sich eine apikale Parodontitis durch eine starke Aufbissempfindlichkeit und eine negative Sensibi- litätsprobe des betroffenen Zahns. Ein Infiltrat kann hier- von durch die lokale Schwellung abgegrenzt werden. Bei Ausbreitungstendenz der Infektion können außerdem eine Kieferklemme, Schluckbeschwerden, eine deutliche – auch extraorale – Schwellung (nicht mehr durchtastbarer Unter- kiefer, angehobener Mundboden) oder eine kloßige Sprache Fotos: Kämmerer Abb. 1: Klinischer Befund: Es zeigt sich eine linksbetonte, deutliche Schwellung submental (Pfeile). Diese reicht auslaufend bis zur Klavikula. DIANA HEIMES Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 17
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