Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5
zm 111, Nr. 5, 1.3.2021, (352) vorkommen. Durch die Verlegung der Atemwege ist eine odontogene Infektion mit Ausbreitungstendenz poten- ziell lebensbedrohlich [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Die Ausbreitung des Infektionsgeschehens in die Logen des Kopf-Hals-Bereichs kann zu systemischen Symptomen – Reduktion des Allgemeinzustands, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und systemische Komplikationen – führen. Patienten mit Allgemeinerkrankungen sind im Hinblick auf das Auftreten schwerwiegender Komplikatio- nen generell stärker gefährdet. Zu den für einen potenziell komplizierten Verlauf prädisponierenden Allgemein- erkrankungen zählen Diabetes mellitus, Asthma bron- chiale sowie die lokale (Radiotherapie) und systemische Immunsuppression (Tumorpatienten, Chemotherapie, Zustand nach Stammzell- oder Organtransplantation, HIV). Auch chronischer Abusus von Drogen und Alkohol stellen Risikofaktoren dar [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Die Untersuchung des Patienten sollte aus diesem Grund aus einer ausführlichen allgemeinen und speziellen Anamnese, mit Fokus auf den Allgemeinerkrankungen des Patienten und der Abfrage gerinnungshemmender Sub- stanzen oder familiärer Gerinnungsstörungen bestehen. Eine extra- und enorale Untersuchung inklusive der Vitali- täts- und Perkussionsprobe der Zähne ist unerlässlich. Eine Ausbreitungstendenz ist anhand einer starken Mund- öffnungseinschränkung, eines Druckschmerzes im Bereich des Kieferwinkels oder des Augenwinkels, einer fehlenden Durchtastbarkeit des Unterkiefers, von Schluck- und Atem- beschwerden ebenso wie anhand eines angehobenen Mundbodens, einer kloßigen Sprache und Fieber zu er- kennen. An die klinische schließt sich schließlich auch eine radiologische Diagnostik mit Identifikation einer odontogenen Ursache an. Bei fehlender odontogener Ursache oder einer Verschlechte- rung trotz adäquater Therapie sollte eine weiterführende Bildgebung (Computertomografie, Magnetresonanztomo- grafie, Digitale Volumentomografie) veranlasst werden. Die Empfehlung der Leitlinie zu odontogenen Infektionen lautet hier: „Kann keine odontogene Ursache nachgewie- sen werden, insbesondere wenn nach Inzision kein Eiter fließt oder verläuft die Therapie nicht adäquat, sollte eine bakterielle / nicht bakterielle Entzündung oder ein gut- oder ein bösartiger Tumor ausgeschlossen werden“ [Al- Nawas und Karbach, 2016]. Zu den nicht-odontogenen Ursachen zählen unter anderem hämato-onkologische Krankheitsbilder (Leukämie, Lymphome), Karzinome, Sar- kome, Metastasen und infizierte Zysten. Die Therapie odontogener Infektionen ist entsprechend des therapeutischen Grundsatzes „ubi pus, ibi evacua“ („Wo Eiter ist, dort entleere ihn“) in der Regel primär chirurgisch [Hausamen et al., 2012]. Abbildung 4 gibt einen Überblick über die möglichen Therapieoptionen entsprechend der Leitlinie zu odontogenen Infektionen. In aller Regel ist eine rein antibiotische Therapie bei Infil- traten ohne Eiteransammlung indiziert, während bei allen anderen lokalen Infektionen mit Eiteransammlung pri- mär die Entlastung des Geschehens im Vordergrund steht. Handelt es sich lediglich um eine lokale odontogene In- fektion ohne Ausbreitungstendenz bei einem allgemein- medizinisch gesunden Patienten, kann von einer anti- biotischen Therapie abgesehen werden. Ist der Zahn erhaltenswert, sollte dieser trepaniert und ge- spült werden. Schon endodontisch vorbehandelte Zähne können revidiert oder – wenn dies nicht möglich oder sinnvoll erscheinen sollte – wurzelspitzenreseziert wer- den. Nicht erhaltungswürdige Zähne können trepaniert und offengehalten werden, um den Eiterabfluss sicherzu- stellen, bis der Zahn zu einem späteren Zeitpunkt extrahiert wird [Al-Nawas und Karbach, 2016]. Die chirurgische Intervention in Form einer Schleimhaut- inzision erfolgt ab der subperiostalen Phase der Ausbreitung einer apikalen Parodontitis. Hier wird die Schleimhaut an Abb. 2: In der dargestellten Computertomografie ist im axialen Schnitt eine Asymmetrie beider Seiten auf Höhe der Mm. digastrici erkennbar. Auf der linken Seite ist eine entzündliche Formation auszumachen. In der koronaren Darstellung zeigt sich eine deutliche Imbibierung des umgebenden Weichgewebes mit Formation einer Abszesshöhle kaudal des M. mylohyoideus. Der sagittale Schnitt macht die nach kaudal reichende Ausbreitung des Prozesses deutlich. Quelle: Kämmerer 18 | ZAHNMEDIZIN
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