Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5
zm 111, Nr. 5, 1.3.2021, (374) PIONIERINNEN DER ZAHNMEDIZIN – TEIL 3 Herta Byloff-Clar – erste Universitäts- dozentin für Kieferorthopädie in Österreich Dominik Groß Die Grazerin Herta Byloff-Clar (1914–2008) startete ihre Hochschullaufbahn mit der Promotion im Jahr 1939 – ein Jahr nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich. Später arrivierte die vierfache Mutter an ihrer Heimatuniversität zur ersten Universitätsdozentin für Kieferorthopädie in Österreich und entwickelte als Mitglied der „Grazer Schule“ unter anderem eine Expertise in der interdisziplinären Dysgnathiebehandlung. H erta Byloff-Clar (Abbildung) wurde am 12. Juni 1914 als Herta Wagner in der Kleinstadt Bruck an der Mur geboren. 2 Sie war die mittlere von drei Töchtern des Primararztes für Interne Medizin Anton Wagner (1870–1965) und des- sen Ehefrau Camilla (1882–1945). Herta Wagner verbrachte ihre Jugend in der Obersteiermark. Eine Woche nach dem Schulstart wurde bei ihr ein Kopflausbefall festgestellt. Daraufhin traf ihr Vater die Entscheidung, für die Zeit der Volksschule einen Haus- lehrer einzustellen. Anschließend trat sie – ein Jahr früher als üblich – ins Gymnasium in Bruck ein. Hier erhielt sie in jedem Schuljahr einen soge- nannten Vorzug (das heißt eine über- durchschnittliche Leistungsbeurtei- lung) und maturierte 1931 im Alter von erst 17 Jahren mit Auszeichnung. 1932 schrieb sie sich an der Univer- sität Graz für Medizin ein; damals war sie – späteren Aussagen ihres Sohnes Fritz Byloff jr. zufolge – die einzige weibliche Studierende ihres Semesters. Erwähnenswert ist, dass der Zahnarztberuf in Österreich über ein Vollstudium der Medizin führte. Wagner wollte ohnehin keine Zahn- ärztin, sondern – wie der Vater – Internistin werden. Doch es kam anders: Sie lernte den Facharzt für Zahn-Mund- und Kieferheilkunde Dr. Heimo Clar 3 (1902–1975) kennen, der seit 1933 eine eigene Praxis in Graz führte. Sie heiratete Clar im Jahr 1936 – während ihres Medizin- studiums – und gebar in den folgen- den Jahren drei Kinder – eine Tochter und zwei Söhne. Seit der Heirat trug sie den Namen Herta Clar. Ihre Tochter Ute kam bereits 1937 zur Welt, zwei Jahre später schloss Clar ihr Studium mit der Promotion ab (Dr. med. univ.). Politisch handelte es sich um eine bewegte Zeit, denn seit 1938 war Österreich ans „Deutsche Reich“ an- geschlossen, so dass Clar zum Zeit- punkt der Promotion deutsche Staats- bürgerin war. Wie viele Ärzte dieser Zeit – man geht von etwa 45 Prozent 4 aus – schloss sie sich der NSDAP an, ohne sich jedoch politisch zu betäti- gen (Aufnahme 1. Mai 1938; Partei- Nr. 6.281.990 5 ). EINE AUSBILDUNG IN DEN (VOR)WIRREN DES KRIEGES Durch ihre frühe Heirat und die Mutterrolle sah sie sich, wie Byloff jr. berichtet, „außerstande, dem allge- mein-ärztlichen Beruf mit den vielen Nachtdiensten gerecht zu werden“. 6 So entschied sie sich, dem Beispiel ihres Ehemanns zu folgen und Zahn- ärztin zu werden. In Österreich schlossen künftige Zahnärzte nach der ärztlichen Prüfung eine Weiter- bildung zum „Facharzt für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde“ an. 7 Ebendiesen Weg beschritt Clar: 1939 begann sie die Weiterbildung, unter- brach diese aber bereits 1940. Der 1 Byloff (2020) 2 Byloff (2020); Kürschner (1970), 401; Kürschner (1987), 615; Kürschner (2001), 434; Österreicher (2008), 38f.; Schroll (2007), 48f.; Standesamt Graz (2020); Strunk (2012), 92; Wirsching (1973), 26; Who is who in Austria (1977/78), 83 3 Reichsverband (1936), 37; Reichl (1955), 36 4 Kater (2000), 104f.; vgl. auch Groß (2018b) und Groß (2020c) 5 BArch R 9361-VIII/5170984 6 Byloff (2020) 7 Groß (2019), 17, 39 Foto: Byloff (2020) Herta Byloff-Clar 1 40 | GESELLSCHAFT
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