Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5
zm 111, Nr. 5, 1.3.2021, (408) Prämolaren durchgeführt. Über die- sen Zugang kann nun die Kamera mit 0°- oder 30°-Optik eingeführt und in der Regel die gesamte Kieferhöhle eingesehen werden. Bei Patientin Nr. 1 stellte sich um- gehend nach Einbringen der Kamera eine ausgedehnte Pseudozyste dar, die das Ostium naturale als Belüf- tungsweg zum Nasengang komplett verlegte. Die Umgebungsschleimhaut war deutlich gereizt (Abbildung 4). Durch Einbringen des Saugers in den gleichen Zugang ließ sich die Pseudo- zyste problemlos entfernen, so dass das Ostium naturale wieder vollkommen frei lag (Abbildung 5). Durch den Nasengang konnte Sekret – als Durchgängigkeitsprüfung – suffizient abgesaugt werden. Der Zys- tenbalg (Abbildung 6) wurde zur pa- thologischen Untersuchung einge- sendet und als mit Flimmerepithel ausgekleidete Struktur – passend zu einer Mukozele – identifiziert. Bei Patient Nr. 2 war die verbliebene Wurzelspitze nach Einbringen der Ka- mera ebenfalls sofort identifizierbar (Abbildung 7). Durch die präoperative CT-Diagnostik waren Lage und Größe des Wurzelrests eruierbar, so dass mit- hilfe des Saugers der Fremdkörper problemlos durch den angelegten Zugang entfernt werden konnte (Ab- bildungen 8 und 9). Es zeigte sich ein deutlich entzündlich veränderter Sinus, der nach der Entfernung mehr- mals mit steriler Kochsalzlösung ge- spült wurde. Da der primäre Zugang mittels subpe- riostaler Präparation angelegt wurde, konnte das Periost nun wieder über das entstandene Loch gebracht werden und die Wunde mit Supramid © 4–0 vernäht werden. Postoperativ wurden in beiden Fällen ein dreiwöchiges Schnäuzverbot angeordnet sowie ab- schwellende Nasentropfen und Anal- gesie mit Ibuprofen bei Bedarf. Der Eingriff wurde in beiden Fällen in ambulanter Intubationsnarkose durchgeführt. Patientin 1 war bei der Nahtentfer- nung nach zehn Tagen bereits voll- kommen schmerzfrei. Bei Patient 2 war die Symptomatik zwar deutlich regredient, die vollständige Schmerz- freiheit stellte sich allerdings erst drei Wochen nach dem Eingriff ein, was wir uns durch die initial ausgeprägte Entzündung des Sinus erklären. DISKUSSION Sobald eine Sinusitis maxillaris odon- togene Ursachen hat, gilt es im Zuge der Ausheilung den Fokus des Ent- zündungsgeschehens zu sanieren, denn er unterhält in der Regel die Invasion von Keimen in die Kiefer- höhle. Neben den beiden frequenten Ursachen im vorliegenden Fall gibt es eine Vielzahl an Pathologien, die der Kieferhöhlenentzündung zugrunde liegen können (Tabelle 1). Der popu- lärste und am häufigsten angewandte Zugang zum Sinus maxillaris ist der osteoplastische Zugang über die faziale Kieferhöhlenwand (Knochendeckel- methode). Im Bereich der Prämolaren und der Molaren wird hier, nach Schnitt durch die Schleimhaut, sub- periostal kranial der Wurzeln präpa- riert und eine Fenestrierung in die Kieferhöhle geschaffen. Hierbei wird meist zusätzlich eine Drainage zum unteren Nasengang geschaffen. Die Knochenwunde und der Defekt der Kieferhöhlenschleimhaut sind bei diesem Zugang vergleichsweise groß und können mit postoperativen Komplikationen, insbesondere im Zusammenhang mit der mukoziliären Clearance, verbunden sein. Die radikalste Variante des Kieferhöh- leneingriffs, die sogenannte Caldwell- Luc-Operation, wird inzwischen nicht mehr praktiziert. Diese Operations- methode ist über 120 Jahre alt und galt als wenig rezidivträchtig. Über einen osteoplastischen Zugang wurde die gesamte Kieferhöhlenschleimhaut ausgeräumt – in der Hoffnung, die jeweils vorliegende Pathologie elimi- nieren zu können. Hierbei entstanden Knochen-Periost-Flächen von 20 bis 30 cm 2 , die über offene Granulation aus dem Knochen heilen mussten. Die physiologische Funktion der Kie- ferhöhle war hiermit vollständig auf- gehoben, es bildeten sich ausgeprägte Granulationen, die teilweise die ge- samte Kieferhöhle auskleideten, und durch sklerotisches Narbengewebe entstanden Retraktionsphänomene sowie Septen und Taschen ohne die Möglichkeit zur Drainage. Abb. 6: Endoskopisch entferntes Zystenpräparat Abb. 5: Freies Ostium naturale nach operativer Pseudozystenentfernung Ursachen odontogener Kieferhöhlenentzündungen ▪ Infizierte Zähne ▪ Periapikale Entzündungen ▪ MAV (akut und chronisch) ▪ Überstopfung von Wurzelfüllmaterial ▪ durch Implantation verursachte Pathologie ▪ Radix relicta ▪ Impaktierte Zähne ▪ Fremdkörper ▪ Zysten ▪ Medikamenten-assoziierte Osteonekrosen ▪ Paro-Endo-Läsionen Tab. 1, hervorgehoben sind die im Artikel erwähnten Pathologien Abb. 4: Pseudozyste in situ in der Kieferhöhle 74 | ZAHNMEDIZIN
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