Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (458) ONKOLOGISCHE VERSORGUNG IN DER PANDEMIE Behandlung eines Mundbodenkarzinoms bei einer Long-COVID-Patientin Jacek Glajzer, Christopher-Philipp Nobis, Anne Bauersachs, Manuel Weber Nicht jede SARS-CoV-2-Infektion „heilt“ innerhalb der Quarantänezeit von 14 Tagen durch Verschwinden der Viren- last unter die Nachweisgrenze aus. Lässt sich Viren-RNA mit einem PCR-Test nachweisen, bedeutet das aber nicht zwangsläufig, dass ein Patient auch infektiös ist. Der folgende Patientenfall zeigt, wie Mediziner in der Praxis mit einer Grauzone an Ungewissheit kämpfen, in der es Entscheidungen um Leben und Tod von Patienten zu fällen gilt. I m September 2020 stellte sich eine 58-jährige Patientin in unserer Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgischen Hochschulambulanz vor. Sie war von einer niedergelas- senen oralchirurgischen Kollegin zur weiteren Abklärung bei klinisch hochgradigem Verdacht auf ein Plat- tenepithelkarzinom im anterioren Mundboden überwiesen worden. In der allgemeinen Anamnese gab die Patientin einen Nikotinabusus in Form von zehn Zigaretten täglich seit 44 Jahren an. Einen Aufenthalt in Corona-Risikogebieten, Kontakte mit SARS-CoV-2-positiven Patienten oder Erkältungssymptome in den vergan- genen 14 Tagen verneinte die Patien- tin. Bei der intraoralen Untersuchung zeigte sich ein exophytisch wachsen- der Tumor im anterioren Mund- boden, rechtsbetont von etwa 2,5 cm x 1 cm Durchmesser. Im Orthopanto- mogramm zeigte sich ein konser- vierend, prothetisch und implantat- prothetisch versorgtes adultes, teil- bezahntes Gebiss mit einem retinier- ten und verlagerten Zahn 38 sowie parodontologisch stark geschädigten Zähnen 36, 46 und 47. Zur Komplettierung des Stagings wurde am gleichen Tag eine Computertomo- grafie der Kopf-Hals-Region und des Thorax mit Kontrastmittel angefertigt, die eine kontrastmittelaufnehmende Läsion im anterioren Mundboden rechts von circa 2 cm x 1 cm Größe zeigte. Radiologisch ergab sich kein Anhalt für eine knöcherne Arrosion des Corpus mandibulae oder eine lymphogene Metastasierung. Zusam- menfassend ergab sich ein cT2 cN0 cMx-Befund. Im Anschluss an die radiologische Diagnostik erfolgte eine Probeexzision der Tumorregion in Lokalanästhesie, die das Vorliegen eines G3-Platten- epithelkarzinoms bestätigte. Im inter- disziplinären Kopf-Hals-Tumorboard wurde entschieden, der Patientin pri- mär eine chirurgische Behandlung des Tumors zu empfehlen. Die Pa- tientin hat sich für eine chirurgische Therapie entsprechend der Empfeh- lung entschieden. Der bei stationärer Aufnahme der Patientin obligatorische Test auf das SARS-CoV-2-Virus zeigte bei fehlen- JACEK GLAJZER Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik, Klinikdirektor: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Marco Kesting, FEBOMFS, Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen jacek.glajzer@uk-erlangen.de Foto: MKG, UK Erlangen Alle Fotos: MKG, Universitätsklinikum Erlangen Abb. 1: Intraoraler Befund bei Initialvorstellung 12 | ZAHNMEDIZIN

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