Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (462) COVID-19-Infektionen konnte eine durchschnittliche Dauer von weniger als 20 Tagen vom Erzielen des ersten positiven SARS-CoV-2-PCR-Testergeb- nisses bis zum negativen Virusnach- weis festgestellt werden [Gombar et al., 2020; Xiao et al., 2020]. In diesen Studien war jedoch bei einem Teil der Patienten (10 bis 26,3 Prozent) auch nach 28 Tagen noch SARS-CoV-2- Virus mittels PCR nachweisbar. Auch Einzelfälle von deutlich prolongierten SARS-CoV-2-Infektionen über mehrere Wochen werden in der Literatur be- schrieben [McKie et al., 2020; Wang et al., 2020; Wang et al., 2020; Chen et al., 2020; D’Ardes et al., 2020]. Dies deutet darauf hin, dass bei zeit- lichen Verläufen einer COVID-19- Erkrankung große interindividuelle Unterschiede bestehen und dass ins- besondere das klinische Erscheinungs- bild und die laborchemische Nach- weisbarkeit einer SARS-CoV-2-Infek- tion oftmals nicht miteinander korre- lieren. Hierbei stellt sich die Einschät- zung des tatsächlichen Infektions- risikos von Patienten mit grenzwertig positiven PCR-Befunden als große Schwierigkeit in der klinischen Praxis dar, da Virus-RNA nachweisbar ist, jedoch nur in sehr geringer Konzen- tration und mit fraglicher Virulenz. Gniazdowski et al. konnten feststellen, dass ab einem medianen Wert von 27,5 PCR-Zyklen kein SARS-CoV-2- Wachstum mehr in einer Zellkultur nachweisbar ist und dass bei Werten zwischen 30 bis 40 Zyklen nur noch in 2,9 Prozent der Fälle SARS-CoV-2 in einer Kultur nachgewiesen werden kann [Gniazdowski et al., 2020]. Dennoch zählen selbstverständlich auch die grenzwertig nachweisbaren Tests als positive Ergebnisse und er- fordern letztendlich eine kritische interdisziplinäre Evaluation bezüglich des tatsächlichen Infektionsrisikos, da bisher bedauerlicherweise kein ein- heitlicher Zyklen-Grenzwert im SARS- CoV-2-PCR-Nachweis vorliegt, ab dem ein Patient als nicht-infektiös gelten kann. In unserem klinischen Fall wurde der Zeitraum von vier Wochen positiver SARS-CoV-2-PCR-Nachweise abgewartet und ein Aufschieben der Tumortherapie – nach dezidierter Ab- wägung der Risiken für Patientin, Mit- patienten und Mitarbeiter – als gerade noch akzeptabel eingeschätzt. Bei langzeitpositiven Patienten mit per- sistierenden SARS-CoV-2-Nachweisen muss jedoch an einem universitären Standort der Maximalversorgung eine adäquate und leitliniengerechte onko- logische Therapie auch unter Pande- miebedingungen gewährleistet sein. Der hier gezeigte Fallbericht soll die Notwendigkeit und in interdiszipli- närer Zusammenarbeit auch die gute sowie sichere Durchführbarkeit der ge- forderten chirurgisch-onkologischen Behandlung unter Pandemiebedin- gungen darstellen. Es gab innerhalb des Zeitraums der Behandlung der Patientin keine Infektion von Mit- arbeitern und Mitpatienten sowie von Kontaktpersonen. \ PD DR. MED. DR. MED. DENT. MANUEL WEBER Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik, Klinikdirektor: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Marco Kesting, FEBOMFS, Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen Foto: MKG, UK Erlangen PCR-TEST / ZYKLUSSCHWELLWERT Aktuell stellt der Nachweis von SARS- CoV-2-RNA aus nasopharyngealen, gegebenenfalls in Kombination mit oropharyngealen Abstrichen mittels real-time quantitativer PCR den klinischen Standard in der Diagnostik dar. Hierbei werden bestimmte Ziel- abschnitte viraler Erbsubstanz durch exponentielle Amplifikation sichtbar gemacht. In der klinischen Praxis verwendet man aktuell RT-PCR-Systeme, die 40 bis 45 Replikationszyklen zur exponentiellen Vermehrung der genetischen Information benötigen. Der sogenannte Cycle threshold (Ct)-Wert (Zyklusschwellen- wert) gibt die Anzahl an PCR-Zyklen an, nach denen eine ausreichende Nachweisbarkeit von SARS-CoV-2- RNA in der Amplifikation erreicht wurde. Der Ct-Wert korreliert somit mit der Menge vorliegender Virus- RNA im Probenmaterial: je höher der Ct-Wert, desto niedriger die Virenlast und desto geringer die Infektiösität. Der mittels RT-PCR ermittelte SARS- CoV-2-Nachweis unterliegt Schwan- kungen, die unter anderem durch präanalytische Faktoren wie beispiels- weise korrekte Abnahmetechnik sowie Probenlagerung beeinflusst wer- den und mit Blick auf das vermutete Krankheitsstadium interpretiert werden müssen. Die Einschätzung der Nachweisergebnisse ist im Einzelfall komplex und sollte daher durch einen in der PCR-Diagnostik erfahrenen Arzt erfolgen. Quellen: RKI, Virologisches Institut des Universitätsklinikums Erlangen Abb. 5: Intraoraler Befund zwei Monate postoperativ Abb. 6: Transplantat-Entnahmestelle am rechten Unterarm zwei Monate postoperativ 16 | ZAHNMEDIZIN

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