Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (452) Methodisch sauber durchgeführte Umfragen sind ein anerkanntes Mittel der Sozialwissenschaften, um zum Beispiel Verhalten, Erwartungen, Erfahrungen möglichst repräsentativ zu ermitteln. Gerade für die Politik, die ihre Arbeit zunehmend in Rich- tung „Evidenzbasierung“ entwickelt, ist dieses Instrument wertvoll, um die Akzeptanz von Entscheidungen zu erfahren. Vor allem in einem Wahljahr. Auch wir wollten dieses Instrument im Rahmen unserer BZÄK-Kommunikationsoffensive nutzen. Diese soll ein wahrhaftiges Bild der Zahnmedizin vermitteln und mit alten Klischees aufräumen. Dabei wollen wir im Superwahljahr die politischen Entscheider und die breite Öffentlichkeit entsprechend informieren. Viel ist in den letzten Monaten über Hygiene und Infektionsvermeidung berichtet worden. Welche Bedeu- tung diese in unserem täglichen Praxisalltag spielt, muss an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Die Umsetzung der oftmals unbeliebten Vorschriften und Empfehlungen hat ihre positive Wirkung nicht verfehlt. Eine große Zeitschrift titulierte wie folgt: „Wie das Prinzip Zahnarzt- praxis bei der Coronaeindämmung helfen könnte.“ Und eine Online- Schlagzeile lautete „Brauchen wir jetzt das Zahnarztprinzip?“. Man hört es gern! Aber ist das auch die Meinung der Patienten? Umfragen, etwa zum Hygieneverhal- ten der Bevölkerung, zu den Hygiene- erwartungen oder zu den Erfahrun- gen in Praxen, gibt es bisher kaum. Dies alles war für uns Anlass, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und ein etabliertes Unternehmen zu beauftragen, repräsentativ und bevölkerungsweit nachzufragen. Gal- ten wir doch für eine kurze Anfangs- phase der Pandemie völlig zu Un- recht als Superspreader. Eigene Daten als auch Daten beispielsweise der Be- rufsgenossenschaft für Gesundheits- dienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zur Anerkennung von Berufserkran- kungen weisen vielmehr darauf hin, dass die Zahnmedizin hochprofessio- nell im Management von Infektions- erkrankungen agiert. Was sind nun die Ergebnisse unserer Umfrage, dem „Hygienecheck“? Hin- sichtlich des Hygienestandards hat die breite Bevölkerung großes Ver- trauen in die zahnärztlichen Praxen. Die Patienten wissen und erfahren bei ihrer zahnärztlichen Behandlung, dass ein hoher Hygieneaufwand be- trieben wird. Und stufen ihn höher ein als bei anderen Facharztgruppen oder in Kliniken. Und sie erleben, dass während der Pandemie ihr eigenes Verhalten, aber auch das Verhalten in der (Zahn-) Arztpraxis von hoher Bedeutung ist. Zahnärztliche Praxen besitzen eine Hygieneexpertise, die durchaus für andere Bereiche nutzbringend sein könnte. Unsere Umfrage dokumen- tiert jedoch auch, dass die Patienten immer noch verunsichert sind: Trotz der Absicht von fast der Hälfte der Befragten, eine zahnärztliche Behand- lung derzeit besser nicht in Anspruch zu nehmen, hat dies lediglich ein Sechstel in die Tat umgesetzt und ihren Termin tatsächlich abgesagt. Hier zeigt sich, dass wir weiterhin über die Bedeutung der Zahnmedizin – auch im Zusammenhang mit den medizinischen Volkserkrankungen – aufklären müssen. In einem Jahr, in dem die Therapie der Volkskrankheit Parodontitis – gerade auch bedingt durch die G-BA-Entscheidung – eine Innovation erfährt, sollte uns dies nicht schwerfallen. Noch eine kleine Anmerkung, auch für Interessierte außerhalb unseres Berufsstands. Die BZÄK-Umfrage zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die be- kannten Hygienemaßnahmen im Kampf gegen Corona ernst nimmt und umsetzt. Sie zeigt aber auch, dass es noch Defizite in Teilen der Bevölkerung im Hinblick auf Infor- mation und Anwendung gibt. Ziel- gruppenspezifische Informations- und Wissensvermittlung ist ein wichtiger Eckpfeiler der Gesundheits- aufklärung – und ich meine, gerade auch unter diesen Bedingungen, ein notwendiger Weg, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Die Er- gebnisse aus dem BZÄK-Hygienecheck tragen dazu bei, den Blick auf den Aspekt der Sozial- und Verhaltens- wissenschaften zu lenken. Gerade diesen Part nimmt die Politik derzeit für deren evidenzbasierte Entschei- dungen zu selten wahr. Wir glauben, dass diese Ergebnisse einen nicht un- erheblichen Beitrag leisten können, um die Pandemie ein Stück weit besser in den Griff zu bekommen. Der erhobene Zeigefinger für alle scheint allein jedenfalls nicht die geeignete Lösung zu sein. Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Lesen Sie mehr zu den Ergebnissen der BZÄK-Umfrage auf Seite 20. Foto: axentis.de BZÄK-Hygienecheck belegt Vertrauen der Bevölkerung 06 | LEITARTIKEL

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