Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7
zm 111, Nr. 7, 1.4.2021, (612) 1936 die Abteilung für Prothetik über- nommen und übte diese Funktion bis 1945 aus. Als Reichenbach 1947 an die Universität Halle kam, übernahm er auch die formale Zuständigkeit für die dortige Schulzahnklinik. Für Schützmannsky bot diese institutio- nelle Verzahnung die Möglichkeit, sich bei Reichenbach zu habilitieren. Ebendies gelang ihr 1957. Sie war da- mit nach Dorothea Dausch-Neumann (1921–2013, Habilitation 1953) 25 die zweite Zahnärztin, die bei Reichenbach die Habilitation erlangte. DAS ORDINARIAT BLIEB IHR VERWEHRT Anders als Dausch-Neumann, die später in Tübingen zur ersten bundes- deutschen Lehrstuhlinhaberin in Kieferorthopädie arrivierte, verblieb Schützmannsky in Halle. Dass sie – im Unterschied zu Dausch-Neumann – kein Ordinariat erlangte, war sicher- lich nicht auf bessere Karrierechancen für Hochschullehrerinnen in der Bundesrepublik zurückzuführen. Tat- sächlich waren Ordinaria in dieser Zeitphase in beiden deutschen Staaten – ähnlich wie zuvor in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ – höchst selten. 26 Entschei- dender dürfte im Fall Dausch-Neu- mann 27 ein anderer Faktor gewesen sein: Letztere verfügte über ein günstiges akademisches Umfeld: Mit Gustav Korkhaus (1895–1978) 28 und Eugen Fröhlich (1910–1971) 29 hatte sie einflussreiche akademische Men- toren, die sie an den entscheidenden Wegmarken ihrer Karriere förderten. Doch auch Schützmannskys Karriere als Kinderstomatologin war zu ihrer Zeit singulär: Sie wurde, wie oben er- wähnt, zur ersten Dozentin für Kin- derzahnheilkunde an einer deutschen Universität und nachfolgend zur ers- ten Professorin mit Lehrauftrag für dieses Fach. Dabei war sie seit 1963 offiziell in einer Doppelfunktion an der Schulzahnklinik (hauptamtlich) und der Universität (nebenamtlich) tätig. 30 Logistisch erleichtert wurde diese Doppelrolle durch den Umzug der kinderzahnärztlichen Abteilung der Zahnklinik in das Gebäude Harz 42–44. Besagte Abteilung war räum- lich großzügig geplant und diente dementsprechend fortan zugleich als Jugendzahnklinik der Stadt und des Bezirks Halle. 31 Als Dozentin für Kinderzahnheilkunde bot Schützmannsky theoretische und klinische Lehre an. Grundlage war eine „sich über ein Semester er- streckende einstündige theoretische Vorlesung“. Hinzu kamen Arbeiten am kindlichen Patienten: „Bei der praktischen Ausbildung arbeiteten die Studenten in den letzten beiden Semestern klinisch bei der konser- vierenden Behandlung der Milch- zähne.“ 32 Um genügend Patienten zu haben, wurden Patenschaftsverträge mit dem Universitätskindergarten und der Polytechnischen Oberschule der Stadt Halle geschlossen. 33 Besondere wissenschaftliche Beach- tung fanden Schützmannskys Studien zur Fluorid- und Kariesprophylaxe. 34 Sie initiierte zudem 1955 mit Reichen- bach die erste örtliche Fluoridierung in einer deutschen Stadt – in Halle. 35 Weitere wissenschaftliche Schwer- punkte waren die Parodontalprophy- laxe und die Parodontopathien im Kindesalter 36 , Unfalltraumata im Frontzahnbereich des jugendlichen Gebisses 37 , Probleme und Fehler in der Kinderzahnheilkunde 38 , die Kooperation zwischen Kinderzahn- heilkunde und Kieferorthopädie 39 , Er- krankungen der Milchzahnpulpa 40 und Osteogenesis imperfecta 41 . Schützmannsky publizierte bis 1973 nachweislich 61 Arbeiten. WEGBEREITERIN DER FLUORIDPROPHYLAXE Sie erhielt in ihrer langen Karriere eine Fülle bedeutsamer Ehrungen und Auszeichnungen: 42 1961 wurde ihr vom Minister für Gesundheits- wesen die Hufeland-Medaille in Sil- ber verliehen, 1963 sprach ihr der Vorsitzende des Ministerats der DDR den Titel „Verdienter Arzt des Volkes“ zu. 1970 folgte die „Philipp-Pfaff- Medaille“ der „Deutschen Gesell- schaft für Stomatologie“ (später: „Gesellschaft für Stomatologie der DDR“) und 1971 kam die Verleihung des Titels „Medizinalrat“ dazu. 1974 erhielt sie die Ehrennadel des Minis- teriums für Volksbildung der DDR. 1978 wurde sie Ehrenmitglied der medizinisch-wissenschaftlichen Ge- sellschaft Rumäniens, 1979 wurde ihr vom „Koordinierungsrat der medizi- nisch-wissenschaftlichen Gesellschaf- ten der DDR“ die Jusuff-Ibrahim- Medaille verliehen und 1981 der neu geschaffene Ehrenpreis der „Gesell- schaft für Kinderstomatologie“. Es folgten 1985 und 1987 Ehrenmit- gliedschaften der „Gesellschaft für Abb. 2: Ernennungsurkunde zur Professorin mit Lehrauftrag (1964) – mit freundlicher Genehmigung von Hans-Martin Werner 25 Groß (2021f); 26 Groß (1998); Groß (2009); Groß/Schäfer (2011); Groß (2019), 63–73; 27 Groß (2021f); 28 Groß (2018); 29 Groß (2021g); 30 Dokumentensammlung Schützmannsky; Hübner/Müller (1990), 64; 31 Kleeberg (2013), 40; 32 Hübner/Müller (1990), 64; 33 Dokumentensammlung Schützmannsky; 34 Schützmannsky (1953); Schützmannsky (1955a und b); Schützmannsky (1957); Schützmannsky (1961); Schützmannsky (1971); Binder/Driscoll/Schützmannsky (1978); 35 Reichenbach/Schützmannsky (1957); 36 Schützmannsky (1958); 37 Schützmannsky (1970); 38 Schützmannsky (1966a und b); Schützmannsky (1967); 39 Schützmannsky (1968); Schützmannsky (1978); 40 Schützmannsky (1982); 41 Fengler et al. (1979); 42 Dokumentensammlung Schützmannsky; Hübner/Müller (1990), 64ff.; Kleeberg (2013), 40; Künzel (2010), passim; Kürschner (1961–1976); Werner (2020); Zahnärztl. Nachr. Sachsen-Anhalt 6/9 (1996), 15, sowie 27/9 (2017), 7 58 | GESELLSCHAFT
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