Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm 111, Nr. 7, 1.4.2021, (620) B ei dem körperlich und geistig von Geburt an schwerst beein- trächtigten Kind imponierten klinisch harte, der befestigten Gingiva in Struktur und Farbe ähnliche Gewebeneubildungen der Alveolar- kämme beider Kiefer, in der sich Zähne aus beiden Dentitionen un- regelmäßig verteilt und partiell teil- retiniert zeigten. Die Schleimhaut- wucherungen beeinträchtigten mitt- lerweile nicht nur den Kieferschluss, so dass ein permanenter offener Biss bestand, sondern schränkten auch die Zungenbeweglichkeit sowie die Mundatmung durch den verlegten Mundraum massiv ein. Die Eltern befürchteten, dass es im Fall des Er- brechens zum Ersticken kommen könnte, und gaben an, dass die größenprogredienten Schleimhaut- wucherungen bereits seit einigen Jah- ren bestanden und bisher lediglich alio loco ärztlich verlaufskontrolliert wurden. Eine chirurgische Intervention war bislang abgelehnt worden. Aufgrund der eingeschränkten Mög- lichkeit der klinischen Untersuchung erfolgte zur weiteren Diagnostik zu- nächst eine Magnetresonanztomo- grafie in Intubationsnarkose. Hier zeigten sich Deformationen des knö- chernen und des weichgewebigen Ober- und Unterkiefers sowie eine fast vollständige Verlegung der Mund- höhle im Rahmen der bestehenden Gingivahyperplasie im Bereich der Front- und der Eckzähne der Maxilla sowie der Rami mandibulae beidseits. Die Zunge wurde durch die Raumfor- derung in den Mundboden verlagert. Neben der Vergrößerung der knö- chernen maxillären Strukturen zeigte sich die Gingiva ebenfalls massiv hypertrophiert. Dies prägte auch das klinische Bild. Hinzu kam eine ausge- prägte Medialisierung der Rami man- dibulae, die ebenfalls von deutlichen Gingivahyperplasien überzogen wa- ren und sich in der Mitte der Mund- höhle großflächig berührten. Die Zähne in Ober- und Unterkiefer wie- sen Fehlstellungen auf und waren zum Teil vollständig von den Hyper- plasien überwuchert. In der Gesamt- schau ergab sich eine deutliche Reduktion der Mundhöhle, so dass bei einer Progredienz des Wachstums dieser Raumforderungen von einer vitalen Bedrohung durch eine Ver- legung der Atemwege auszugehen war. Die Reduktion der Raumforderung mit einer zeitgleichen histopatho- logischen Aufarbeitung wurde in All- gemeinanästhesie geplant. In Vollnarkose erfolgte eine gründliche klinische Inspektion. Diese zeigte ein noch massiveres Ausmaß der Gin- givawucherungen als durch die radio- logische Diagnostik und die klinische Untersuchung vermutet. Der Zungen- raum war durch die Raumforderung stark eingeengt und die Zunge lag funktionseingeschränkt in den Mund- boden – in einer Art Hohlraum – ver- legt, umgeben von den Gingiva- wucherungen des Unterkiefers. MKG-CHIRURGIE Myxofibrom der Weichgewebe in Ober- und Unterkiefer Sandra Scholz, Nora Lautner, Till Braunschweig, Frank Hölzle Myxofibrome treten meist von der zweiten bis zur vierten Lebensdekade auf, können sich in sehr seltenen Fällen jedoch auch bei hochbetagten oder sehr jungen Patienten entwickeln – wie im vorliegenden Fall, bei dem ein acht Jahre altes Mädchen mit unklaren und massiven Schleimhaut- wucherungen der zahntragenden Anteile von Ober- und Unterkiefer in der MKG-Chirurgie des Uniklinikums Aachen vorstellig wurde. DR. SANDRA SCHOLZ Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen sascholz@ukaachen.de Foto: privat Abb. 3: MRT sagittal: Komplexe kraniofaciale Deformitäten, mutmaßlich im Rahmen der syndromalen Grunderkrankung: hierunter vollständige Verlegung der Mund- höhle im Rahmen umfangreicher anatomischer Anomalitäten Fotos: Klinik für Radiologie, Uniklinikum Aachen 1 66 | ZAHNMEDIZIN

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