Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm 111, Nr. 7, 1.4.2021, (630) SELTENE ERREGER Untypische Auslöser odontogener Abszesse Nils Heim, Franz-Josef Kramer Durch zunehmende Antibiotikaresistenzen sind progrediente oder schwere Verläufe odontogener Infektionen schwieriger zu beherrschen. Doch erst die Bakterienanzucht macht die Identifizierung des Abszess-auslösenden Keims und in der Folge eine Anpassung der Therapiestrategie möglich. In unserer Studie konnten einige seltene Erreger isoliert werden. A bszessgeschehen odontogener Ursache sind seit dem Beginn medizinischer Aufzeichnungen bekannt [Heim et al., 2017]. Um das Jahr 1600 wurden erstmalig syste- matisch die Todesursachen der Ein- wohner von London dokumentiert. Das Krankheitsbild rangierte hier zeitweilig auf Platz fünf. Dies zeigt, dass der Ausgang dieser Entzündun- gen unbehandelt lebensbedrohlich sein kann – damals wie heute. Etwa vier Prozent aller stationär behandelten Fälle in deutschen Ab- teilungen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie entsprechen odon- togenen Abszessen, was diesem Krankheitskomplex eine erhebliche gesundheitsökonomische Bedeutung zukommen lässt. Beherdete Zähne sind als Fokus die häufigste Ursache von Infektionen im Kopf- und Halsbereich. Die Entitäten der poly- mikrobiellen Infektionen sind insuffi- ziente Wurzelkanalbehandlungen und infizierte Augmentationsmaterialien, Perikoronitis, dentale Traumata, ver- lagerte Zähne und Infektionen des Zahnhaltehalteapparats, die die Mi- gration von Mikroorganismen in den subapikalen Bereich fördern können. In der Folge kommt es zu deutlichen Schwellungen mit Überwärmung, Druckdolenz und Schmerzen (Abbil- dung 2). Die Therapie der Wahl besteht, – wie bei allen Abszessen – in der chirur- gischen Eröffnung (Abbildung 3) und Drainage. Inzision und Drainage gel- ten hier nicht nur dem Abfluss des Pus, sondern sorgen darüber hinaus für die Penetration von Sauerstoff in die Abszesshöhle, was die anaeroben Erreger aufgrund ihrer Stoffwechsel- eigenschaften deutlich dezimiert (Ab- bildung 4). Ob ein Patient einer stationären Behandlung zugeführt werden muss, ist von einer ganzen Reihe von Fak- toren abhängig. Bei Symptomen wie Fieber, Schluckbeschwerden, Atem- not, bei klinisch bereits sichtbaren Ausbreitungstendenzen in weitere Logen oder bei Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus wird in der DR. NILS HEIM Universitätsklinikum Bonn, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Venusberg – Campus 1, Haus 11, 2. OG, 53127 Bonn Nils.heim@ukbonn.de Foto: privat Abb. 1: Anzucht eines Candida-Stamms Foto: Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Universitätsklinikum Bonn 76 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=