Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm 111, Nr. 7, 1.4.2021, (633) tiden und fulminante Hirnabszesse hin [Uneda et al., 2016]. Als Auslöser eines odontogenen Abszesses ist Nocardia asiatica bisher noch nicht Erscheinung getreten. \ In unserem Fall wurde eine weitest- gehend gesunde 81-jährige Frau mit einem perimandibulären Abszess operiert und vier Tage stationär behandelt. Die Arbeitsdiagnose legte nahe, dass die Bakterien wahrscheinlich pulmonal in den Wirt eintraten und sich hämatogen ausbreiteten. Es zeigten sich aller- dings keine Antibiotikaresistenzen. Cladophialophora bantiana Hierbei handelt es sich um einen Pilzerreger, der sich von organischem Material ernährt (Saprophyt) und als Auslöser einer sogenannten Phäo- hyphomykose (chronische Haut- und Unterhautinfektion durch pigmen- tierte Pilze) verantwortlich sein kann. Der Erreger kann ubiquitär im Boden gefunden werden. In der Literatur sind über chronische Hautinfektionen hinaus etwa 130 Fälle von häufig fatal verlaufenden Gehirnabszessen bekannt [Suri et al., 2014]. In den meisten Fällen scheint der Mykoseerreger über die Atemluft aufgenommen zu werden und kann sich über die Nebenhöhlen auf einem direkten Infektionsweg im Hirn an- siedeln und dort verbreiten. Neben immunsupprimierten Patienten ist die Infektion und Ausbreitung intra- zerebral von immunkompetenten Menschen beschrieben. \ Im vorliegenden Fall wurde der Er- reger aus einem submandibulären Abszess eines 43-jährigen Mannes mit ausgeprägter Adipositas und einer floriden Psoriasis vulgaris isoliert. Er musste sechs Tage lang stationär behandelt werden, erhielt allerdings keine Antimykotika. Die oben erwähnten Erreger sind nur ein kleiner Auszug aus einer breiten Palette möglicher Mikroorganismen, die in odontogenen Abszessgeschehen identifiziert werden können. Es darf allerdings nicht in Vergessenheit ge- raten, dass die Identifizierung dieser Keime mittels Abstrich geschieht. Nach Abstrichnahme bedarf es dann der Anzüchtung des jeweiligen Er- regers, was mitunter nicht unkom- pliziert ist (Abbildungen 1 und 6). Bei stets polymikrobiellen Abszess- inhalten ist daher die Aussage bezüg- lich eines bestimmten einzelnen aus- lösenden Erregers nur selten möglich. Eben dies gilt natürlich auch für die oben genannten Pathogene. PATIENTENFALL Eine 21-jährige, gesunde Patientin stellte sich mit einer ausgeprägten Schwellung der Wange in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie des Uniklinikums Bonn vor. Einige Tage zuvor waren alio loco alle Weisheitszähne entfernt worden. Der Wangenabszess wurde umgehend eröffnet, gespült und drai- niert. Zusätzlich wurde die Patientin mit Unacid intravenös behandelt. Intraoperativ wurde ein Abstrich ge- wonnen. Die klinische Situation schien sich in den darauffolgenden Tagen zu ver- bessern, verschlechterte sich dann aber wieder zunehmend. Im Verlauf konnte in der Mikrobiologie der Erre- ger „klebsiella pneumoniae“ nachge- wiesen werden, der gegen Ampicillin eine Resistenz aufwies. Am sechsten postoperativen Tag stellten wir die Antibiose dann auf Metronidazol und Ciprofloxacin um. Erst diese Umstel- lung der Therapie führte zu einer langsamen Regredienz der Sympto- me. Die Patientin musste insgesamt 18 Tage lang unter stationären Bedin- gungen behandelt werden. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Der Ausheilung eines Abszessgeschehens liegt stets die suffiziente Eröffnung und Drainage der Abszesshöhle zugrunde. \ Odontogene Abszesse sind in aller Regel ein polymikrobielles Geschehen. Bei Faktoren, die eine stationäre Behandlung bedingen (Zeichen einer systemischen Infektionsausbreitung oder immunsuppri- mierende Zustände), sollte eine additive antibiotische Therapie mit kalkulierter Antibiose eingeleitet werden. \ Ein Abstrich aus der Abszesshöhle sollte durchgeführt werden, um bei Therapie- versagern unter kalkulierter Antibiotika- therapie einen Präparatwechsel nach Antibiogrammergebnis durchführen zu können. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. Foto: Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Universitätsklinikum Bonn Abb. 6: Anzucht eines Pseudomonas aerigunosa-Stamms ZAHNMEDIZIN | 79

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=