Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm 111, Nr. 7, 1.4.2021, (562) Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com Leserforum CALDWELL-LUC-OPERATION RADIKAL WAR NOTWENDIG Zum Beitrag „MKG-Chirurgie: Endoskopischer Zugang zur Kieferhöhle über die Sinus-maxillaris- Vorderwand“, zm 5/2021, S. 72. Der Zugang zur Kieferhöhle über ein Fenster der fazialen Kieferhöhlenwand war bei der sogenannten „Caldwell- Luc-Operation“ nicht – wie die Autoren des Artikels schreiben – „osteoplastisch“, sondern im Original osteo- klastisch. Der entnommene Knochen wurde ursprünglich also reseziert und verworfen und nicht replantiert und auch nicht ersetzt. Am Ende der Operation nach Caldwell- Luc verblieb ein großes Loch in der gesichtseitigen Kiefer- höhlenwand. Im Inneren der Kieferhöhle bildeten sich häufig heftige Narben, und es kam so im Bereich des Knochendefekts zu Verwachsungen mit der Wange und zu Narbenschmerzen des irritierten Nervus infraorbitalis bis hin zur Trigeminusneuralgie. Das nach heutiger Auffassung radikale Vorgehen der Caldwell-Luc-Methode hatte, wie auch dem Artikel zu entnehmen ist, bestimmte „radikalchirurgische Merkmale“. Es gab früher aber auch gute Gründe für die Radikal- operation, weil in der vorantibiotischen Zeit mit begrenzten Möglichkeiten der Sterilhaltung und Antisepsis kaum nicht- chirurgische Möglichkeiten zur Verfügung standen, schwere Kieferhöhleneiterungen zu behandeln. Die Ausbreitung der Eiterung, unter anderem in die Orbita und in den Hirn- schädel, die Osteomyelitis des Oberkiefers, Nekrosen des Gesichts oder gar Tod durch Sepsis waren gefürchtete und keineswegs seltene Komplikationen. Insofern war die heute zurecht teils kritisch zu beurteilende Caldwell-Luc-Operation in ihrer ursprünglichen Form zur Zeit ihrer Entstehung vor etwa 120 Jahren ein Segen. Erst die moderne Kieferhöhlenchirurgie ermöglichte es schrittweise, die radikalen Verfahren durch schonendes chirurgisches Vorgehen zu ersetzen, um dadurch die oft schwerwiegenden Folgen dieser Kieferhöhlenoperationen zu mildern oder gar zu verhindern. So hat Gerhard Pfeifer als Oberarzt Eugen Fröhlichs (1968 bis 1970) in Tübingen unter dem Eindruck schwerster und häufiger Neuralgien des Nervus infraorbitalis nach Verlust des fazialen Höhlenknochens bei vielen der radikal Kiefer- höhlenoperierten den autologen osteoplastischen Verschluss des fazialen Kieferhöhlenfensters schon vor mehr als 50 Jahren gewagt. Meist hat er den entnommenen Knochen des fazialen Fensters replantiert – ein Verfahren, das Lindorf 1973 technisch verfeinerte. Pfeifer gehört damit zu den Pionieren der modernen schonenden Kieferhöhlen- chirurgie. Grundsätzlich war es zu Pfeifers Zeit wünschenswert, den Knochen der fazialen Wand periostgestielt zu ektomieren, ihn nur soweit zu dislozieren, bis die Kieferhöhle über- sichtlich darstellbar war, um ihn zum Schluss am Periost und den Wangenweichteilen gestielt zu replantieren. Das Periost verhinderte ein Abwandern des Knochens in die Kieferhöhle und verbesserte nach damaliger Vorstellung die Ernährung des Transplantats und damit die Einheilung. Wenn die Verbindung zum Periost verloren ging, wurde das Transplantat mit Fäden oder feinen Drahtnähten – teils aus Gold – gesichert. Die operierte Kieferhöhle wurde meist bis regelmäßig tamponiert („Wer nichts riskiert, der tamponiert“), um das Transplantat zu stützen, die Gefahr der Nachblutung zu minimieren und durch die drainierende Wirkung der Tamponade einer Infektion der Kieferhöhle vorzubeugen. Mit der Replantation des Knochens der fazialen Kieferhöhlenwand gehörten schwere postoperative Dauerschmerzen nach Kieferhöhlenoperationen – von seltenen Ausnahmen abgesehen – der Vergangenheit an, weil es nicht mehr zu Narbenverwachsungen der Wange und des 2. Trigeminusastes der Wange mit dem Inneren der Kieferhöhle kam. Die Caldwell-Luc-Operation war übrigens nicht „die radikalste Variante des Kieferhöhleneingriffs“. Die Methode nach Denker war ungleich radikaler, weil sich diese nicht nur auf die Resektion großer Anteile der fazialen Höhlen- wand (Caldwell-Luc) beschränkte, sondern weil auch die Apertura piriformis und manchmal sogar Teile des Nasen- bodens und des kranialen Processus frontalis der Maxilla geopfert wurden. Das Ausmaß der Resektion wurde dem Krankheitsbild, also der angenommenen Erforderlichkeit, angepasst und hatte auch international gesehen bei sehr schweren Erkrankungen ihren Platz im großen Spektrum der Kieferhöhleneingriffe, das von der Spülung nach Punktion bis zur totalen Resektion reichte.

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