Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8

zm 111, Nr. 8, 16.4.2021, (714) PIONIERINNEN DER ZAHNMEDIZIN – TEIL 6 Dorothea Dausch-Neumann – erste Lehrstuhlinhaberin in der deutschen Zahnheilkunde Dominik Groß Dorothea Dausch-Neumann (1921–2013) ist die jüngste der sechs hier vorgestellten Hochschullehrerinnen der Zahnheilkunde. Sie wurde 1968 auf den ersten Lehrstuhl für Kieferorthopädie in der Bundesrepublik Deutschland berufen. Welche Faktoren waren maßgeblich für diesen seinerzeit beispiellosen Erfolg? D orothea Neumann (Abbildung) 1 wurde am 11. März 1921 in Naunhof (Kreis Grimma) bei Leipzig geboren. 2 Sie verlebte ihre Kindheit in Sachsen und schrieb sich nach dem Abitur Ende 1939 an der Universität Leipzig für das Studium der Zahnheilkunde ein. Der dortigen Zahnklinik standen in jener Zeit Erwin Reichenbach (1897–1973) und Karl Hauenstein (1887–1952) vor; beide wechselten sich in der Leitungsfunktion turnusgemäß ab. 1943 konnte Neumann – mit erst 22 Jahren – ihre zahnärztliche Prüfung absolvieren. Sie erhielt nachfolgend die Appro- bation und promovierte bereits im April desselben Jahres zur Dr. med. dent. Für ihre Dissertation führte sie „Bakteriologische und klinische Un- tersuchungen über die Verwendbar- keit der Chlortablette nach Weigele bei Pulpagangrän bzw. Ostitis peri- apicalis“ durch. 3 Der Leipziger Zahn- arzt Ernst B. Weigele (1890–1960) hatte 1936 die „Chlorgastherapie“ eingeführt und war bis in die 1950er- Jahre hinein bemüht, diese populär zu machen und weiterzuentwickeln. Er empfahl die Therapie vor allem bei chronischen geschlossenen und fistelnden Infektionsherden in der Mundhöhle. 4 Ebenfalls noch im Jahr 1943 wurde Neumann Assistentin in der „Abtei- lung für vorklinische und klinische Prothetik und zahnärztliche Orthopä- die“ der Leipziger Universitätszahn- klinik, wo sie jeweils halbtags in der Prothetik und in der Kieferorthopädie arbeitete. Besagte Abteilung wurde von Reichenbach geleitet, der aller- dings seine Dienstpflichten vor Ort nur phasenweise erfüllen konnte, weil er bis 1945 wiederholt im Feld beziehungsweise in Feldlazaretten im Raum Sachsen eingesetzt war. 5 Neumann verhielt sich im „Dritten Reich“ offenbar politisch neutral. Im Unterschied zu ihren beiden Vorge- setzten Reichenbach und Hauenstein, die beide – wie die Mehrheit der zahn- ärztlichen Hochschullehrer 6 – der NSDAP beigetreten waren, 7 fanden sich bei ihr keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft. EIN GASTAUFENTHALT IN WIEN WEITETE DEN BLICK 1944 erhielt Neumann die Erlaubnis, einen Gastaufenthalt an der Universi- tät Wien wahrzunehmen, wo sie sich bei dem Kieferorthopäden Leopold Petrik (1902–1965) weiterbilden konnte. Petrik leitete zu diesem Zeit- punkt die orthodontische Abteilung des Wiener Zahnärztlichen Instituts und galt als einer der führenden Ver- treter der „Funktionskieferorthopädie“ (FKO). 8 Anschließend kehrte Neumann nach Leipzig zurück und setzte dort ihre Assistententätigkeit fort. 1947 wechselte sie auf die Stelle einer Oberärztin an der Universität Halle- Wittenberg. Hier war sie erneut bei Reichenbach beschäftigt, der in jenem Jahr nach Halle berufen worden war und ihr die besagte Stelle angeboten hatte. Während Reichenbach die Di- rektion der Zahnklinik übernommen hatte, widmete sich Neumann hier verstärkt dem Auf- und Ausbau einer kieferorthopädischen Abteilung. Dorothea Dausch-Neumann – mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags, Erstveröffentlichung Deutscher Zahnärzte-Kalender 1957 1 Dt. Zahnärzte-Kalender 16 (1957), 120; 2 Loch (1957), 18; Kürschner (1966), Bd. 1, 362; Kremer/Büchs (1967), 125, 128, 153; Kürschner (1970), Bd. 1, 452; Hübner/Müller (1990), 83f.; Kürschner (2001), Bd. 1, 494; Berneburg (2008); Nachruf (2014), 47; Wirsching (1973), 27; Witt (2014); 3 Neumann (1943); 4 Weigele (1949); 5 Groß (2020a); 6 Groß (2018c); Groß (2019), 157–174; Groß (2020b); Groß/Krischel (2020); 7 Groß (2020a) (Reichenbach); BArch R 9361-IX/13850148 (Hauenstein); 8 Wunderer (1965) Foto: DÄV 56 | GESELLSCHAFT

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