Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8
sing-Schülerin ihre Entlassung und trat – wohl auch vor diesem Hinter- grund – diversen NS-Organisationen bei. Dennoch musste sie sich im „Dritten Reich“ mangels Hochschul- perspektive zeitweise als Zahnärztin niederlassen und verlor wiederum nach 1945 aufgrund ihrer politischen Belastung den Anschluss an die universitäre Laufbahn. Schug-Kösters hatte ihrerseits in Peter-Paul Kranz (1884–1957) zwar einen „arischen“ Mentor; dennoch musste auch sie in den 1930er-Jahren zeitweise männ- lichen Kollegen Platz machen und ihren Lebensunterhalt in der Praxis verdienen. Ihr gelang zwar nach 1945 als beamtete Extraordinaria die Fort- setzung der Universitätslaufbahn, aller- dings fand sie 1954 in Josef Heiß (1908–1973) – dem Nachfolger von Kranz – einen Klinikdirektor vor, der sie öffentlich zu diffamieren und zu diskreditieren suchte. GEBISSANOMALIEN WAREN BESONDERS IHR THEMA In fachlicher Hinsicht befasste sich Dausch-Neumann mit allen Aspekten der Kieferorthopädie, wobei ihr be- sonderes Augenmerk den Gebiss- anomalien, der Gebissentwicklung und den diversen Therapieformen des Spezialfachs galt. Dausch-Neumann war keine klassische Lehrbuchautorin. Erst am Ende ihrer Karriere – 1987 – verfasste sie zusammen mit Lavinia Flores de Jacobi (*1944) den Band „Kieferorthopädie, Parodontologie“. 28 Sie bevorzugte das Format der Zeit- schriftenpublikation. Etliche Arbeiten widmeten sich der kieferorthopädi- schen Profil-, Foto- beziehungsweise Fernröntgenanalyse. 29 Zu ihren be- kanntesten Arbeiten gehören Auf- sätze zu den Gebissanomalien – so etwa zur Deckbissbehandlung, zum Beginn und zur Dauer kieferortho- pädischer Behandlungsmaßnahmen, zur Beteiligung von Oberkiefer und Unterkiefer bei der Progenie, zur The- rapie der vertikalen Gebissanomalien oder zum einseitigen Distalbiss. 30 Doch den größten Stellenwert in ihrem Oeuvre hatten Beiträge zum Milchgebiss und zur Frühbehand- lung. 31 Dausch-Neumann stellte zu- dem den sogenannten „‚ Tübinger Index‘ mit Richtwerten für das Milch- gebiss auf“. 32 Sie publizierte insgesamt rund 100 Arbeiten. Die oft kurz „D-N“ genannte Kiefer- orthopädin erlangte eine Vielzahl von Auszeichnungen und ehrenvollen Ämtern. So wurde sie 1954 berufenes Mitglied des „Club International de Morphologie Faciale“, in dem sich führende europäische Kieferorthopä- den versammelten; ab 1988 fungierte sie dort für einige Zeit als deutsche Vertreterin im Vorstand des Clubs. 1955 erlangte sie den Jahresbestpreis der DGZMK. 1967 und 1983 fungierte sie als Tagungspräsidentin der „Deut- schen Gesellschaft für Kieferortho- pädie“ (DGKFO), 1993 erhielt sie die Silberne Ehrennadel der Deutschen Zahnärzteschaft für ihre Verdienste um den zahnärztlichen Berufsstand und 1994 wurde sie zum Ehrenmit- glied der DGKFO ernannt. 2011 trat sie dann noch einmal als Wissenschaftlerin in Erscheinung: Aus Anlass ihres 90. Geburtstags rich- teten ihr früherer Schüler Reinhard J. Schugg und weitere Weggefährten ein Festsymposium aus, das ihre Pio- nierrolle und ihre Leistungen als For- scherin und Wissenschaftlerin öffent- lich würdigte. \ 27 Friederich (1968), 52; 28 Dausch-Neumann/Flores-de-Jacoby (1987); 29 Dausch-Neumann (1970); Dausch-Neumann (1971); Dausch-Neumann (1972); Dausch-Neumann (1983); 30 Neumann (1953); Neumann (1957); Korkhaus/Neumann (1957); Dausch-Neumann (1961a und b); 32 Dausch-Neumann (1969); Dausch-Neumann (1978a und b); Dausch-Neumann (1980); 32 Berneburg (2008), 148 PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Klinisches Ethik-Komitee des Universitätsklinikums Aachen MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Foto: privat zm 111, Nr. 8, 16.4.2021, (717) GESELLSCHAFT | 59
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