Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8
zm 111, Nr. 8, 16.4.2021, (735) ELEKTRONISCHE PATIENTENAKTE Sachverständigenrat fordert verpflichtende ePA Die elektronische Patientenakte (ePA) soll für alle GKV-Mitglieder Pflicht werden, fordert der Sachverständigenrat in seinem neuen Gutachten zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er plädiert für ein radikales Umdenken. D ie Digitalisierung im Gesund- heitswesen muss endlich bes- ser genutzt werden, fordert der Sachverständigenrat zur Begutach- tung der Entwicklung im Gesund- heitswesen. Eindringlich plädiert der Rat in seinem neuen Gutachten eine ehrliche Diskussion über bisherige Fehlentwicklungen. Eine der Kernfor- derungen: Die ePA sollte für alle GKV-Mitglieder verpflichtend einge- führt werden. Gesundheitsdaten dürften natürlich nicht in falsche Hände geraten, doch müssten sie auch in die richtigen Kanäle gelangen können, stellte der Vorsitzende des Sachverständigen- rats, Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, fest. Gerlach sagte: „Die Menschen in Deutschland produzieren jeden Tag Abermillionen Daten, darunter sehr viele, die ihre Gesundheit betreffen. Die meisten dieser Daten wandern in die Arme von Datenkraken außerhalb der EU und werden von diesen für kommerzielle Zwecke, Werbung und Angebote ausgewertet. Wenn es aber darum geht, Gesundheitsdaten hier- zulande zum Zwecke besserer Gesundheitsversorgung zu sammeln – zum Beispiel in einer elektroni- schen Patientenakte – und sie für gezieltere Forschung, Prävention, Diagnostik und Therapie verfügbar zu machen, dann werden Probleme aufgetürmt, die eine sinnvolle Daten- nutzung fast unmöglich machen. Das ist unverantwortlich. Länder wie Dänemark oder Estland, in denen auch die Datenschutz-Grundverord- nung gilt, nutzen die Chancen der Digitalisierung sehr viel besser.“ DATENSPARSAMKEIT? EIN ÜBERHOLTES KONZEPT! Für wichtig hält der Rat auch, dass nicht nur verwertbare Abrechnungs-, sondern auch Behandlungsdaten für Forschung und Versorgung zur Verfü- gung stehen. „In der Corona-Pandemie hat sich zudem gezeigt, wie wichtig es wäre, Gesundheitsdaten wie eine nachge- wiesene Ansteckung mit Bewegungs- und Kontaktdaten verknüpfen zu können, um zu erkennen, welche Situationen wirklich risikoreich im Sinne von Infektionsketten sind“, sagte der stellvertretende Ratsvorsit- zende, Prof. Dr. Wolfgang Greiner. „Mit diesem Wissen könnten Maß- nahmen zur Eindämmung viel geziel- ter sein. Von der Lebenswirklichkeit längst überholte Konzepte wie Daten- sparsamkeit helfen nicht weiter.“ Um ein „dynamisch lernendes“ Gesundheitssystem zu errichten, müsse die Debatte zur Digitalisierung jedenfalls neu und anders geführt werden als bisher: \ Die Diskussion sollte alle durch die Digitalisierung des Gesundheits- wesens betroffenen Normen in ein wert- wie praxisorientiertes Ver- hältnis zueinander bringen. \ Der Datenschutz sollte im Sinne des Patientenschutzes neu gedacht werden. Es gelte, Datenschutz als Teil von Lebens- und Gesundheits- schutz auszugestalten, nicht als deren Gegenteil. \ Zu einer Digitalisierung, die eine breite Akzeptanz sowohl bei Leis- tungserbringern als auch Patienten erfährt, gehörten auch Maßnahmen zur Gewährleistung der Daten- und Informationssicherheit. pr Das Gutachten geht nun an Bundestag und Bundesrat und wird Mitte Juni auf einem Fach-Symposium diskutiert. DATEN TEILEN HEIßT BESSER HEILEN! Ausführliche Empfehlungen gibt der Sachverständigenrat zur Ausgestal- tung der ePA für GKV-Versicherte. \ Empfohlen wird eine bedienungs- freundliche ePA, deren Inhalte nach Vorgaben aus der Primärdokumentation befüllt werden. \ Per Opt-out-Verfahren (mit Wider- spruchsmöglichkeit) sollte eine ePA für jede Person eingerichtet und damit zugleich der Zugriff auf ePA- Daten durch behandelnde Leistungs- erbringer ermöglicht werden. \ Das für die Implementierung in 2021 beziehungsweise ab 2022 vorgese- hene mehrfache Opt-in-Verfahren sei zu aufwendig. Viel zu groß sei das Risiko, dass eine so grundlegende Leistung mit all ihren Potenzialen und Chancen von zu wenigen genutzt wird: „Daten teilen heißt besser hei- len.“ \ Der Öffentlichkeit sollte der individuelle Nutzen einer verbesserten Daten- grundlage kommuniziert werden. \ Die Behandlungsdaten, die ohnehin dokumentiert werden, sollten über die ePA pseudonymisiert an eine zentrale „Sammelstelle“ weitergelei- tet werden, die diese Daten treuhän- derisch verwaltet, sichert und für For- schungszwecke zur Verfügung stellt. Foto: AdobeStock_Ulrich Zillmann POLITIK | 77
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