Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8

zm 111, Nr. 8, 16.4.2021, (748) Talgdrüsen und Haaren sowie teratoide Zysten mit mesodermal differenzier- ten Geweben wie Muskeln, Knochen und Zähnen [Koca et al., 2007; Pancholi et al., 2006; Meyer, 1955]. Etwa sieben Prozent aller Dermoid- zysten befinden sich im Kopf-Hals- Bereich, mit der häufigsten Lokalisa- tion in der periorbitalen Region. Nur etwa 1,6 Prozent dieser Zysten sind in der Mundbodenregion, üblicherweise in der Mitte des Mundbodens zu fin- den. Andere, seltenere Lokalisationen wie Zunge, Lippen, Uvula, Wangen- schleimhaut, Kiefergelenk und Kiefer- knochen wurden in der Literatur eben- falls beschrieben. Abhängig von der anatomischen Lokalisation werden die Dermoidzysten des Mundbodens in supramylohyoidal (intraoral und sublingual), inframylohyoidal (cer- vical) sowie peri-transmylohyiodal (intraoral und cervical) klassifiziert. Durch ein langsames, asymptoma- tisches, aber stetiges Wachstum der Dermoidzysten können schließlich beachtliche Raumforderungen ent- stehen, die zu Atem-, Sprech- und Schluckstörungen führen [Shear et al., 2007; Sahoo et al., 2015; Horch, 2002; King et al., 1994; Rosen et al.,1998]. Ergänzend zur klinischen Unter- suchung erfolgt meist initial eine Sonografie. Zur Bestimmung der Größe und der Lokalisation sowie zur Abgrenzung des Befunds gegenüber Nachbarstrukturen ist eine Bild- gebung mittels Computertomografie oder Magnetresonanztomografie in- diziert [Sahoo et al., 2015]. Differen- zialdiagnostisch müssen mehrere Er- krankungen, darunter entzündliche Prozesse sowie Tumoren, in Betracht gezogen werden (Tabelle 1) [Sahoo et al., 2015]. Therapie der Wahl ist die Exstirpation in toto. Die Rezidivrate ist gering. Allerdings kann es bei nicht in sano entfernten Epidermoidzysten oft zu schwergradigen rezidivierenden Entzündungen kommen. Die histo- pathologische Untersuchung ist obli- gat [Metz et al., 2012; Jordan et al., 1998]. Die Erkennung pathologischer Veränderungen des vorderen Mund- bodens hat eine sehr wichtige Bedeu- tung in der oralen Medizin. Für die zahnärztliche Praxis soll die- ser Fall die Bedeutung der genauen klinischen Untersuchung und Dif- ferenzialdiagnostik hervorheben, da neben den Oberflächenläsionen auch relevante Pathologien unter intakter Schleimhautbedeckung vorliegen können. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Orale Dermoid- oder Epidermoid- zyste bilden sich zumeist während der Embryonalentwicklung. Diese weisen einen benignen Charakter auf und entstehen durch versprengte Gewebsanteile der Keimblätter. \ Aufgrund des asymptomatischen und langsamen Größenwachstums können die Zysten durch lokale Ver- drängung funktionelle Beschwerden wie Sprech-, Schluck- und Atem- beschwerden provozieren. \ Eine fundamental bedeutsame Rolle kommt der gründlichen klinischen Untersuchung und der adäquaten Diagnostik zu, da differenzial- diagnostisch andere Zysten oder maligne Prozesse in Betracht gezogen werden müssen. \ Bei manifesten Befunden stellt die vollständige Entfernung der Zyste die Therapie der Wahl dar. Hierdurch sollen vor allem rezidivierende und komplikationsreich verlaufende entzündliche Prozesse vermieden werden. Abb. 8 und 9: OP-Präparat DIFFERENZIALDIAGNOSTIK DER DERMOIDZYSTEN DES MUNDBODENS Extravasationzyste: - Mukozele - Ranula (Frosch- geschwulst) Embrionale Anomalie: - Hygroma Colin - laterale Halszyste - mediane Halszyste Infektionen: - Sialadenitis der Gl. sublingualis/ submandibularis - Virale Lymphadenitis (EBV/CMV) - Mycobakterium - Katzenkratzkrankheit - Actinomycosis - Toxoplasmose - Tularämie - Histoplasmose - Blastomykose Granulomatosen: - Sarcoidosis - Wegener-Granulo- matose - Langerhans-Zell- Histiozytose - Morbus Crohn Tab. 1, Quelle: [Sahoo, 2015] Tumoren: - gutartige Speichel- drüsentumoren - Lipom - Fibrom - Hämangiom - Lymphangiom - Angiom - Neurofibrom - bösartige Speichel- drüsentumoren - Plattenepithelkarzinom - Lymphom - Rhabdomyosarkom - Neuroblastom - Tumormetastasen Andere: - normales Fett submental/ submandibulär - HIV-assoziierte Lymphadenopathie - Pneumocystis Lymphadenitis - generalisierte Lymphadenopathie Alle Fotos: Klinikum Stuttgart ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 90 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=