Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (788) Foto: zm_Screenshot_SpiFa Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges und der ALM-Vorsitzende und MVZ- Geschäftsführer Dr. Michael Müller mit Moderato- rin Jessica Hanneken, Vice President der Haupt- stadtrepräsentanz der BFShealth finance. STREITGESPRÄCH AUF DEM SPIFA-FACHÄRZTETAG Ausverkauf durch Fremdkapital? Droht der Ausverkauf des deutschen Gesundheitswesens durch Fremdkapital? Tatsache ist: Die Zahl der von Investoren betriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) steigt rasant, zuletzt insbesondere im zahnärztlichen Bereich. Auf dem SpiFa-Fachärztetag 2021 Mitte April stritten sich Befürworter und Gegner, wie diese Entwicklung zu bewerten ist. E nde Dezember 2020 gab es 1.100 zahnärztliche MVZ (zMVZ) in Deutschland, 2015 waren es noch 87. Das ist ein rasanter Anstieg“, stellte Martin Hendges, der stellvertetende Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), direkt zu Beginn der Diskus- sion fest. „Insgesamt finden sich 80 Prozent der Zentren in sieben KZV-Bereichen, nur 20 Prozent sind im ländlichen Raum angesiedelt“, führte er aus. Hendges zufolge bilden die Zahlen aus der Vertragszahnärzteschaft in Teilen auch die Entwicklung im ärztlich-ambulanten Sektor ab. Laut KZBV-Statistik haben insgesamt 234 iMVZ ein Kranken- haus als Träger, 165 von ihnen sind in Ketten organisiert. 31 solcher Ketten gibt es mittlerweile am Markt. Wie Hendges darlegte, favorisieren die Betreiber eindeutig den urbanen Sektor in überversorgten Gebieten. Aus dem durchschnittlichen Abrechungsverhalten gehe klar hervor, dass in iMVZ – im Unterschied zu Einzelpraxen und BAG – eine deutliche Tendenz zu Über- und Fehlversorgung be- steht. „Wir erkennen hier weder eine Motivation, sich an der Versorgung im ländlichen Bereich zu beteiligen, noch eine Bereitschaft, die Versorgung vulnerabler Patienten- gruppen zu unterstützen. Das Leistungsgeschehen konzen- triert sich im Wesentlichen auf die lukrativen Bereiche“, berichtete Hendges. EIN TROJANISCHES PFERD WURDE EINGESCHLEUST Ziel der KZBV sei die Sicherstellung einer flächendecken- den und wohnortnahen Versorgung. „Die Investoren ver- folgen jedoch andere Motive, das liegt in der Natur des Geschäftsmodells. Die Krankenhausträger greifen über ein Trojanisches Pferd in die Versorgung ein“, sagte Hendges mit Verweis auf das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015, das die Gründung von arztgruppengleichen und FAKTEN ZU ZAHNÄRZTLICHEN MVZ \ Gab es Ende Dezember 2015 in Deutschland insgesamt 87 zMVZ (84 im Westen, 3 im Osten), sind es Ende März 2021 nach aktuellen Prognosen 1.155 (1.065 im Westen, 90 im Osten. Bei 247 waren Finanzinvestoren beteiligt. \ Von den 1.101 Ende 2020 zugelassenen zMVZ gehören 706 zu einer Kette. Allein die Jakobs Holding AG besitzt 45 zMVZ (Colosseum Deutschland). \ Vom vierten Quartal 2015 bis zum vierten Quartal 2020 stieg die Zahl der iMVZ in Deutschland von 11 auf 234. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um Praxisneugrün- dungen, sondern um Käufe von bereits bestehenden Zahn- arztpraxen oder von Zahnärzten gegründeten MVZ. \ Höhere Renditen als in anderen Segmenten werden erzielt durch ein auf Rentabilität ausgerichtetes Management und die Standortwahl. Beim Weiterverkauf nach vier bis sieben Jahren soll ein größtmöglicher Verkaufspreis sichergestellt werden. \ Die Standortwahl konzentriert sich bei zMVZ stark auf jene Großstädte, die sich durch „eine überdurchschnittlich einkommensstarke sowie jüngere und weniger von Pflege- bedürftigkeit betroffene Bevölkerung“ auszeichnen. \ Die Befunde zum Leistungsgeschehen und Abrechnungs- verhalten stützen die These eines im Vergleich zu Einzel- praxen und BAG stärker am Ziel der Renditeoptimierung orientierten Vorgehens von iMVZ. aus dem Gutachten „Investorenbetriebene MVZ in der vertrags- zahnärztlichen Versorgung“ des IGES Instituts für die KZBV von Oktober 2020 und der neuesten KZBV-Statistik 22 | POLITIK

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