Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9
zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (790) auch reinen Zahnarzt-MVZ ohne fachlichen Bezug durch ein Krankenhaus oder eine nichtärztliche Dialyse-Einrich- tung erst möglich machte. „Es ist richtig, dass das Fremdkapital kapitalintensive Fachbereiche bevorzugt“, räumte Dr. Marcus Steffen Bauer, Senior Executive Advisor der Strategieberatung von PwC, ein. Wahr sei auch, dass der Fokus auf den Ballungs- zentren liege, da sich die MVZ an den Bevölkerungs- und an Demografiezahlen orientieren. Dennoch könne man aus seiner Sicht nicht von einem Ausverkauf sprechen. Man müsse bei der Analyse nicht nur die reine Rendite betrachten, sondern stattdessen eine „ehrliche Weiter- entwicklungsperspektive“ in den Fokus zu nehmen. Was die Datenlage betrifft: „Wir sind nicht an dem Punkt, wo wir sagen können, wir haben hier eine Versorgungs- gefährdung.“ „Die Daten sind nicht so schwach, dass wir keine Rück- schlüsse ziehen können“, widersprach Hendges. „In länd- lichen Bereichen können Versorgungsprobleme entstehen und genau dort lassen sich iMVZ nicht nieder.“ Für ihn stelle sich vielmehr die Frage, ob man dem Versorgungs- auftrag in diesen Strukturen überhaupt gerecht werden kann. „Fakt ist: Kinder und Pflegebedürftige bleiben außen vor, weil ihre Behandlung nicht so lukrativ erscheint. Und wir wissen, dass Zahnärzte in MVZ klare Zielvorgaben be- kommen. Höhere GOZ-Honorare sind dafür ein Beleg.“ EINZELPRAXIS ODER MVZ – IST DAS KONSTRUKT EGAL? „Das Produkt ist auch bei uns die Versorgung von Patien- ten – verantwortet von Ärzten, die frei entscheiden“, ent- gegnete Dr. med. Michael Müller, Vorstandsvorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) und Geschäftsführer der MVZ Labor 28 GmbH. Sein Ziel sei, die Versorgung und die Organisationsstrukuren zu ver- bessern, um gute Medizin liefern zu können. Am Ende sei es egal, ob es sich um eine Einzelpraxis handelt oder um ein MVZ: „Das Konstrukt ist nicht entscheidend.“ Auch MVZ können Müller zufolge für die Versorgung förderlich sein: „Kapitalintensive Strukturen sind, das hat die Pande- mie gezeigt, reaktionsfähiger.“ Die junge Generation habe zudem andere Wünsche, was auch an der Entwicklung der Medizin liege, die sich immer digitaler, interdisziplinärer und in Richtung KI entwickle. „Junge Ärzte haben den Wunsch, gute Medizin zu machen und dabei flexibel und interdisziplinär zu arbeiten“, sagte Müller. „Sie wollen sich für ihren Beruf engagieren. Hier spielt natürlich auch die Willkommens- kultur eine Rolle, Stichwort Bedarfsregelung. Maßgeblich ist aber auch, ob man das Risiko alleine schultern muss – oder eben nicht.“ Doch welche Bedürfnisse hat der Patient? „Der Patient muss wissen, bei wem er Leistungen in Anspruch nimmt“, verdeutlichte Hendges. „Im Moment kann er das nicht erkennen. Diese notwendige Transparenz können ein Register und das Praxisschild schaffen.“ Der Vorschlag der KZBV gehe deshalb dahin, das Terminser- vice- und Versorgungsgesetz (TSVG) weiterzuentwickeln und die Gründungsbedingungen im urbanen Bereich zu begrenzen. TRANSPARENZ IST SICHERLICH EIN ZENTRALER ASPEKT „Als selbstbestimmter Patient habe ich nicht die Möglich- keit, hinter die Kulissen zuschauen, was die Strukturen anbelangt“, stimmte Bauer zu. Transparenz ließe sich regulatorisch herstellen, zum Beispiel über das von Hendges genannte Register. Für Patienten sei aber auch von Interesse, wie oft der Zahnarzt die Behandlung schon durchgeführt hat und ob die Praxis abends um 22 Uhr noch geöffnet ist. Bauer plädierte darum für mehr „Plura- lismus“ im Gesundheitswesen. „Wir sollten uns überlegen, wo wir Hardcore regulieren. Notwendiges Regulieren ja, aber wir sollten Finanzierungsmodelle schaffen, so dass Ärzte ihr ureigenstes System mit ihrem Ethos weiter- ent-wickeln.“ „Wenn es um gute Versorgung geht, ist die Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit und der Transparenz sicher- lich ein zentraler Aspekt“, gab auch Müller zu. „Aber wenn die Bedigungen am Arbeitsplatz nicht förderlich sind, gehen die Ärzte dort auch nicht hin. Meinen An- spruch als Arzt, fachlich unabhängig zu sein, lasse ich mir nicht wegnehmen.“ „Entgegen der landläufigen Meinung, Zahnärzte könnten in MVZ flexibler arbeiten, ist es in Wirklichkeit umge- kehrt“, stellte Hendges am Ende richtig: „Die Teilzeit- quote in BAG und Einzelpraxen ist nachweislich viel höher.“ Nur 0,09 Prozent der Vertragszahnärzte sind laut Hendges übrigens in Investoren-MVZ tätig. ck INVESTOREN SIND FÜR ABGEBER ATTRAKTIV Ulrich Sommer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank), wandte sich eingangs live zugeschaltet mit einem kurzen Appell an die Runde: „Wir brauchen im Gesundheitswesen Strukturen, die von der Berufung geleitet sind!“ Er verwies in seinem Impulsvortrag darauf, dass hinter fast jedem sechsten ärztlichen MVZ Private Equity steht. „Das ist ein Sektor mit hoher Investitionskraft und hohem Investitions- bedarf“, führte Sommer aus. „Immer mehr Abgeber entscheiden sich für einen Investor und dieser Trend wird sich weiter verstärken.“ Sommer riet den Ärzten und Zahnärzten, in diesem Prozess ihr eigenes System nicht aus der Hand zu geben. Die apoBank stehe ihnen bei der Finanzierung ihrer Praxen verlässlich zur Seite. 24 | POLITIK
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