Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (792) INTERVIEW MIT DR. JOHAN WÖLBER „Gesunde Lebensmittel sind ein Therapeutikum“ Die Ernährung kann Zahnfleischentzündungen begünstigen, aber auch vorbeugen und therapieren. Wer sich pro-entzündlich ernährt, kann Beschwerden verschlimmern und dem ganzen Organismus schaden. Oder umgekehrt: gezielt dagegen anessen, veranschaulicht Dr. Johan Wölber. Der Parodontologe beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Thema und hat seine Empfehlungen in dem Buch „Die Ernährungszahnbürste“ zusammengestellt. Welche Nahrungsmittel haben einen positiven Einfluss bei Gingivitis und Parodontitis? Dr. Johan Wölber: Bezüglich der Gingivitis wissen wir, dass so gut wie alle Nährstoffe, also Makro- und auch Mikro-Nährstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe einen Einfluss auf die parodontale Entzündung ausüben. Daher empfiehlt sich nachweislich eine ballaststoffhaltige Ernährung und vollwertige Kohlenhydrate aus ganzem Obst, Gemüse, Vollkorn, Hülsenfrüchten. Weiter wichtig sind einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, vor allem die Omega-3- Fettsäuren. Nitrathaltige Gemüse und Salate, Vi- tamin-C-haltiges Obst und sekundäre Pflanzenstoffe wie sie in Kurkuma oder grünem Tee und polyphenol- haltigen Blaubeeren enthalten sind, wirken ebenfalls positiv. Oder auch mal nichts essen, wie beim inter- mittierenden Fasten, kann helfen, die Entzündung zu verringern. Und welche Nahrungsmittel wirken entzündungsfördernd? Grundsätzlich sind prozessierte Koh- lenhydrate aus Zucker, Süßigkeiten, Weißmehl, Softdrinks und Säften un- günstig. Sprich Kohlenhydrate ohne Ballaststoffe und Mikronährstoffe. Eine Mikronährstoff-arme Ernährung, die reich an prozessierten Makro- nährstoffen und Junkfood ist, fördert die Entzündungen. Natürlich ist rotes und verarbeitetes Fleisch vor allem aus der Massentierhaltung nicht gut, ebenso auch Omega-6-Fettsäuren aus Fleisch und Sonnenblumenöl. Aber auch der Mangel an Omega-3-Fett- säuren wie bei Vermeiden von Fisch- konsum oder fehlender Algenöl- Supplementation, der Mangel an Vitamin B 12 wie bei der fehlenden Supplementierung bei Vegetariern oder vor allem bei Veganern und auch ein Vitamin-D-Mangel. Welche Reaktionen entstehen im Körper? Der Wirkmechanismus verläuft so- wohl lokal in der Mundhöhle als auch systemisch über den Körper. Lokal wissen wir: Zucker & Co. werden vom lokalen Mikrobiom zu gingivitisför- dernden Stoffen metabolisiert, Nitrat wird vom lokalen Mikrobiom zu Ni- trit verstoffwechselt, was wiederum gegen Karies wirkt und gleichzeitig über systemische Verstoffwechselung anti-inflammatorisch und blutdruck- senkend. Dagegen können sekundäre Pflanzenstoffe die Biofilmformation hemmen. Systemisch wissen wir, dass Zucker & Co starken oxidativen Stress erzeugen und damit Entzündungsprozesse im gesamten Körper fördern. Omega-3- Fettsäuren hingegen wirken im ge- samten Körper anti-entzündlich und sogar entzündungsauflösend. Hier ist vor allem das Gleichgewicht zwischen Omega-3 und Omega-6 wichtig, so dass bei Mehraufnahme von Omega-3 (durch Fisch oder Algenöl) auch Omega-3 durch Reduktion oder Ver- meiden von tierischen Produkten) PD DR. JOHAN WÖLBER Zahnarzt und Ernährungsmediziner (DAEM/DGEM) sowie stellvertretender Studiengangsleiter „Master Parodontologie & Implantattherapie“ am Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde Foto: Zahnärzte für Niedersachsen e.V. 26 | PRAXIS

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