Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9
zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (794) reduziert werden sollte. Mikronähr- stoffe, wie Vitamine, wirken anti- oxidativ und reduzieren damit Ent- zündungsprozesse oral und im ge- samten Körper, genauso wie Minera- lien, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe. Intermittierendes Fas- ten reduziert oxidativen Stress und löst Zellreinigungsprozesse (Auto- phagie) aus. Zudem fördert eine lang- bestehende Fehlernährung Allgemein- erkrankungen, wie Übergewicht, Dia- betes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die nochmals negativ auf die paro- dontale Entzündung einwirken. Wie weit ist denn die Forschung? Der Forschungsstand wächst stetig und verändert dabei auch ätiologische und therapeutische Konzepte. Aus ernährungszahnmedizinischer Sicht könnten dabei nämlich nicht mehr Plaquereduktion und Fluoridierung an erster Stelle stehen, sondern wie man krankmachende Nährstoffe vom Mikrobiom fernhält beziehungsweise gesundheitsfördernde Stoffe hinzu- fügt. Dabei geht es primär um eine Ernährungs- und Lifestyle-Umstellung, also um Raucherentwöhnung, Stress- reduktion und körperliche Aktivität. Für diese Konzepte wird aber in der Tat noch mehr Evidenz zu schaffen sein. Vor allem randomisierte kon- trollierte Studien sind für die Ernäh- rungsbeeinflussung der Parodontitis notwendig. Die meisten Nachweise über die Wirkung von Ernährung haben wir bereits in Bezug auf die Gingivitis. Interventionsstudien zur Parodontitis hingegen sind ungleich schwieriger durchzuführen – sowohl zeitlich als auch ethisch. Wie sieht es in der Zahnarztpraxis aus? Sollte man Patienten dazu beraten? Und wenn ja, wann? Rein praktisch wird da noch recht wenig gemacht und thematisiert. Patientengespräche als Prävention bieten aber meiner Meinung nach ein riesiges Potenzial, die Mund- gesundheit und auch Gesamtgesund- heit zu fördern. Ein günstiger Zeit- punkt ist dabei nach der Anamnese und/oder dem Befund, um nach der Darstellung des Problems, also der Parodontitis, den Patienten mit einer Frage abzuholen. Zum Beispiel, was er über die Entstehung von Parodon- titis weiß. Das allgemeine Interesse für das Thema wächst, immer mehr Fort- bildungen werden angeboten. Bis- lang kann so ein spezielles Beratungs- gespräch aber nicht wie andere zahn- ärztliche Leistungen abgerechnet werden. Gingivitis und Karies können durch Ernährungsweisen begünstigt, aber eben auch therapiert werden. Das Vorbeugen von Krankheiten und den Schutz der Gesundheit wünsche ich mir für eine Gesundheitspolitik der Zukunft, anstatt, dass wir immer den Symptomen hinterher behan- deln müssen. Wie kann der Zahnarzt seinen Patienten den Zusammenhang nahebringen? Was kann jeder im Alltag berücksichtigen? Das sind in der Tat zwei Faktoren. Zum einen die Verhaltensprävention, also wie die Zahnärztin oder der Zahnarzt auf seinen Patienten ein- wirkt, und die Verhältnisprävention, zum Beispiel dass die Gesundheits- politik zuckerfreundliche Werbung verbieten könnte. Verhaltenspräven- tion allein ist wichtig und auch wirk- sam. Aber die Patienten sind auch eingebettet in Familie und Gesell- schaft, was Gesundheitsverhalten för- dern oder behindern kann. Nehmen wir die Zuckerentwöhnung als Beispiel. Hier kann es dem Patien- ten allein schon schwerfallen, den Zucker zu reduzieren oder zu vermei- den. Zu Hause stellt die Familie noch Süßigkeiten auf den Tisch und im Fernsehen läuft Werbung für Soft- drinks. Da wird erfolgreiche Verhal- tensänderung sehr herausfordernd. Dementsprechend ist es wichtig, dass sowohl die Zahnärztinnen und Zahn- ärzte gesunde Ernährung thematisie- ren als auch die Gesundheitspolitik hier Projekte auf den Weg bringt. Beim Rauchen ist das schon auf einem ganz guten Weg – wenn auch noch viel zu erreichen bleibt. Was würden Sie sich in Sachen Prävention wünschen? Die neuen Richtlinien zur systema- tischen Parodontitistherapie deuten es an: Wir brauchen abrechenbare Verhaltensmedizin (wie zum Beispiel Gesprächspositionen) in der Präven- tion, die weg kommt von hoch-ver- güteten invasiven Maßnahmen hin zu gut vergüteter Prävention – sonst macht das ja keiner. Zudem würde ich mir ein noch be- herzteres Engagement der Gesund- heits- und Standespolitik in puncto Zuckerwerbung und Zuckersteuer wünschen. Es kann doch nicht sein, dass wir in kleinen Momenten die Pa- tienten vom Zucker entwöhnen, diese aber durch die Werbung suggeriert bekommen, dass Zuckerkonsum etwas mit Spaß und Lebensfreude zu tun hat – das Gegenteil ist ja der Fall. Die Deutsche Allianz für Nichtüber- tragbare Erkrankungen (DANK) zeigt, wie erfolgreiches Engagement aus- sehen kann. Da könnten wir als Zahnärztinnen und Zahnärzte einen wesentlichen Beitrag zu leisten. \ Das Gespräch führte Laura Langer. MEHR AUF ZM-ONLINE Quellen zum Artikel Via QR-Code finden Sie die Studienquellen zum Thema auf zm-on- line.de . Foto: Wölber/Tennert „ Die Ernährungszahnbürste“ Eine Empfehlung aus dem Buch „Die Ernährungszahnbürste“ 28 | PRAXIS
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