Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (796) V or über einem Jahr hat sich das neuartige Coronavirus mit rasanter Geschwindigkeit welt- weit ausgebreitet. Daraufhin wurde der COVID-19-Ausbruch am 11. März 2020 offiziell von der WHO zur Pandemie erklärt. Dies hatte auch weitreichende Konsequenzen für die zahnärztliche Behandlung, da eine Virusübertragung sowohl vom Pa- tienten auf das Praxispersonal als auch umgekehrt möglich ist. Vor diesem Hintergrund wurde im April 2020 mit der Erarbeitung einer S1-Leitlinie begonnen und diese im September 2020 mit Gültigkeit bis zum März 2021 konsentiert. Auf- grund der schnellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Forschung und Epidemiologie wurde die Leitlinie in- zwischen zu einer „Living-Guideline“ umbenannt. Schon bald nach der Erstveröffentlichung wurde zudem das Expertenteam erweitert und spe- ziell zur Untersuchung der Datenlage rund um Mundspüllösungen eine „Taskforce Mundspüllösungen“ ge- gründet. Diese hat die Aufgabe, die schnell steigende Zahl von Studien zum Thema kritisch auf wissenschaft- liche Kriterien hin zu bewerten und dem Leitlinien-Team eine konsens- fähige Empfehlung vorzulegen. CORONA-PROPHYLAXE DURCH MUNDSPÜLUNGEN? Bereits in der Frühphase der ersten Pandemiewelle wurde intensiv dis- kutiert, ob Mundspülungen vor der Behandlung neben der bereits be- kannten Reduktion des bakteriellen Aerosols auch das virale Infektions- risiko senken könnten [Peng et al., 2020]. Die Frage ist für die zahnärzt- liche Praxis immer noch relevant – die Zahl der angebotenen Mund- spülungen nimmt stetig zu. Firmen bewerben ihre Produkte inzwischen mitunter gezielt und sehr aggressiv für die Verwendung zur „Corona- Prophylaxe“, allerdings bislang ohne zugrunde liegende klinische Daten. Virusreplikation im Mundbereich Das neuartige Coronavirus ist ein be- hülltes Virus mit sogenannten Spike- Proteinen auf der Oberfläche. Über dieses Spike-Protein bindet das Virus an seine zellulären Rezeptoren (vor- nehmlich ACE2-Rezeptoren; angio- tensin converting enzyme-2) und gelangt so in die Wirtszellen. Diese nutzt das Virus, um sich immer wei- ter zu replizieren. Sobald die maxi- male Kapazität der Wirtszelle erreicht wurde, zerfällt diese in ihre Einzel- teile. Alle Viruskopien werden frei und können weitere Zellen infizieren. ÜBERARBEITETE S1-LEITLINIE ZU MIT AEROSOLEN ÜBERTRAGBAREN ERREGERN Mundspüllösungen und präprozedurales Spülen im Fokus Lena Katharina Müller, Fabian Cieplik, Bilal Al-Nawas, Toni Meister, Nicole Birgit Arweiler Die S1-Leitlinie „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern“ wurde im März/April 2021 überarbeitet und veröffentlicht. Während zahlreiche Empfehlungen keine oder nur wenige Änderungen erfahren haben, wird das sogenannte „Prophylaktische Spülen der Mundhöhle mit Mundspüllösungen“ stärker fokussiert. Foto: Nicole B. Arweiler Das Spülen vor zahnärztlichen Behandlungen wird bislang vor allem zur Vermeidung einer Bakterien-Übertragung durch das Aerosol empfohlen. 30 | ZAHNMEDIZIN

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